HOCHSEILAKT & SILBERSTIMMEN
Solistenkonzerte & Liederabende
Einen „Teufelsgeiger“nannte man Niccolò Paganini einst: Seine Virtuosität schien dem Publikum nicht mehr geheuer. Vielleicht waren es die Neider, die damals begonnen haben, höchste Fingerfertigkeit in Verruf zu bringen und als seelenlose Akrobatik zu schmähen. Heute weiß man längst: Technische Brillanz ist nicht alles, aber eine unerlässliche Hilfe dabei, die Ausdruckstiefen der Musik auszuloten. Das beweisen nicht zuletzt famose Solistinnen und Solisten, ob nun am Instrument oder mit der Singstimme. Paganini-Preisträger Ilya Gringolts zum Beispiel lässt die 24 gefürchteten ViolinCapricci Paganinis funkeln und stellt ihnen die ins Zeitgenössische gesteigerten Capricci von Salvatore Sciarrino zur Seite: faszinierende Hochseilakte auf vier Geigensaiten.
Am Klavier tut es ihm Igor Levit gleich, ein idealer Interpret für Schostakowitschs 24 Präludien und Fugen, in denen dieser seine herbe Ausdruckskraft in die strengen Bahnen Bach’scher Kontrapunktik leitet. Außerdem durchmisst Levit einen der anspruchsvollsten Variationszyklen nicht bloß des 20. Jahrhunderts: The People United Will Never Be Defeated! von Frederic Rzewski. 1975 entstanden, basiert das monumental-virtuose, kompositorisch ausgeklügelte und tief bewegende Werk auf der Hymne des Parteienbündnisses des chilenischen Präsidenten Salvador Allende, der bald darauf im Militärputsch durch Pinochet sein Leben verlieren sollte. Die politische Kraft der Musik beleuchtet Levit auch in Beethovens Eroica-Variationen und, gemeinsam mit der Sprecherin Dörte Lyssewski und dem Klangforum Wien, bei Schönbergs Ode to Napoleon Buonaparte nach Lord Byron.
Es sind beziehungsreiche, als solche virtuos ersonnene Programme wie dieses, die Festspiele erst zu Festspielen machen. Daneben gehört auch vokaler Glanz unbedingt zu Salzburg: perlmuttartig schimmernd bei Krassimira Stoyanova, die mit Jendrik Springer in Liedern von Strauss, Tschaikowski und Rachmaninow ihren Rang als feinsinnige Diva beweist; silbrig glitzernd bei Sonya Yoncheva, die sich mit der Academia Montis Regalis unter Alessandro De Marchi in den barocken Prunk von Opern Händels, Rameaus und Purcells versenkt. Walter Weidringer