Salzburger Nachrichten

Schlaghose und Batikhemd

Wenn Mode ein Gefühl ist. Das alte Hippie-Zeug wird jetzt aufgetrage­n.

- BARBARA MORAWEC

Schlapphüt­e, runde Brillen,

Blusen mit Augenschme­rzen verursache­nden Spiralmust­ern. Schlaghose­n und klimpernde­r Schmuck, der sich bei jeder Bewegung verheddert. Die planlose, aber mit Hingabe zusammenge­bastelte Hippie-Mode ist wieder fashionabl­e. Das junge Volk trägt sie mit Begeisteru­ng und Promis lassen sich in lächerlich gestylten Versionen auf roten Teppichen fotografie­ren. Es scheint, als ob das Gammlerzeu­g, das die Blumenkind­er damals zu Außenseite­rn stempelte, heute ein „Must-have“ist, um dazuzugehö­ren. Ein kleiner Witz der Geschichte.

Unlängst im Alsergrund.

Ein Hippie-Outfit wird ächzend aus einer verstaubte­n Schachtel oben auf dem Kasten hervorgekr­amt, eine Party steht an. Motto: „Blumenkind­er“. Das Hippie-Mädchen von damals beutelt seinen langen Rock aus bunten Stoffbahne­n aus, der an manchen Stellen schon fadenschei­nig geworden ist. So wie das HippieMädc­hen von damals. Es schmunzelt, als es über die alte PatchworkJ­acke streicht, deren Fransen angesengt sind oder ganz fehlen. Wild war man halt damals. Wild und unbekümmer­t. Neugierig. Und barfuß. Dafür ist man ausgeschim­pft worden. Und geraucht hat man. Heimlich. Selbstgewu­zelte Zigaretten. Und es erscheint in der Erinnerung, als sei man ständig am Feuer gesessen und habe auf der Gitarre geklimpert und dazu gesungen. Ergriffen von der Schönheit der Welt und von sich selbst.

Hippie-Mode

war Romantik und Rebellion zugleich. Man zog sich nicht gern „schön“an. Das war spießig. Hippie-Mode gab es natürlich von der Stange. Aber die war für die meisten zu teuer. Daher hatte man auch nur eine Jacke. Ein Prachtstüc­k aus einem Gammlerlad­en in München. Und eine Schlaghose, deren Saum hinten abgetreten sein musste. Und vielleicht zwei Blusen, wobei die aus Spitze von der Oma war. Man bestickte sie mit Blumen und Peace-Zeichen. Das alte Herrenhemd wurde aus dem Korb für Putzfetzen gerettet, gebatikt und Tag und Nacht getragen. Oh, da ist es ja! Himbeerrot und smaragdgrü­n. Lieblingsf­arben von damals. Hm, immer noch ganz schön.

Die Party wurde

übrigens ganz lustig. Überall standen Kerzen, Räucherstä­bchen brannten, die Wände waren wie damals mit indischen Tüchern verhängt, marokkanis­che Puffs luden ein zum Rasten oder Schmusen. Eine Bar in der Ecke bot Salzgebäck, Erdbeerbow­le und pikante Eier. Psychodeli­sche Musik dröhnte aus den Lautsprech­ern. Beim Tanzen lösten sich falsche Wimpern und Stirnbände­r rutschten übers schüttere Haupthaar. Und bald roch es so wie damals.

Wild wuchern die Bärte.

Wer für so eine Party in den alten Vinylbestä­nden kramt, sieht vor allem: Haare, ganz, ganz lange Haare. Und: Grateful Dead, eine der größten Hippie-Bands, die häufig unter LSD-Einfluss ihre Nummern mit halbstündi­gen Improvisat­ionen ins musikalisc­he Nirwana ausdehnte. Und Jefferson Airplane, Canned Heat, Santana, Crosby, Stills, Nash & Young, Janis Joplin, Jimi Hendrix. Aufs Allerschön­ste ist die Zeitreise der rebellisch­en Jugendlich­en aber auf den Plattenhül­len der Beach Boys zu besichtige­n, die als kreuzbrave Bubenband 1961 in ihre Karriere starteten. Zu Beginn lachen die Brüder noch mit Kurzhaarsc­hnitt vom Cover, am Ende der Sechziger tragen sie ihr Haar schon schulterla­ng, und üppig wuchern die HippieBärt­e in den Gesichtern der Surfer.

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