Schlaghose und Batikhemd
Wenn Mode ein Gefühl ist. Das alte Hippie-Zeug wird jetzt aufgetragen.
Schlapphüte, runde Brillen,
Blusen mit Augenschmerzen verursachenden Spiralmustern. Schlaghosen und klimpernder Schmuck, der sich bei jeder Bewegung verheddert. Die planlose, aber mit Hingabe zusammengebastelte Hippie-Mode ist wieder fashionable. Das junge Volk trägt sie mit Begeisterung und Promis lassen sich in lächerlich gestylten Versionen auf roten Teppichen fotografieren. Es scheint, als ob das Gammlerzeug, das die Blumenkinder damals zu Außenseitern stempelte, heute ein „Must-have“ist, um dazuzugehören. Ein kleiner Witz der Geschichte.
Unlängst im Alsergrund.
Ein Hippie-Outfit wird ächzend aus einer verstaubten Schachtel oben auf dem Kasten hervorgekramt, eine Party steht an. Motto: „Blumenkinder“. Das Hippie-Mädchen von damals beutelt seinen langen Rock aus bunten Stoffbahnen aus, der an manchen Stellen schon fadenscheinig geworden ist. So wie das HippieMädchen von damals. Es schmunzelt, als es über die alte PatchworkJacke streicht, deren Fransen angesengt sind oder ganz fehlen. Wild war man halt damals. Wild und unbekümmert. Neugierig. Und barfuß. Dafür ist man ausgeschimpft worden. Und geraucht hat man. Heimlich. Selbstgewuzelte Zigaretten. Und es erscheint in der Erinnerung, als sei man ständig am Feuer gesessen und habe auf der Gitarre geklimpert und dazu gesungen. Ergriffen von der Schönheit der Welt und von sich selbst.
Hippie-Mode
war Romantik und Rebellion zugleich. Man zog sich nicht gern „schön“an. Das war spießig. Hippie-Mode gab es natürlich von der Stange. Aber die war für die meisten zu teuer. Daher hatte man auch nur eine Jacke. Ein Prachtstück aus einem Gammlerladen in München. Und eine Schlaghose, deren Saum hinten abgetreten sein musste. Und vielleicht zwei Blusen, wobei die aus Spitze von der Oma war. Man bestickte sie mit Blumen und Peace-Zeichen. Das alte Herrenhemd wurde aus dem Korb für Putzfetzen gerettet, gebatikt und Tag und Nacht getragen. Oh, da ist es ja! Himbeerrot und smaragdgrün. Lieblingsfarben von damals. Hm, immer noch ganz schön.
Die Party wurde
übrigens ganz lustig. Überall standen Kerzen, Räucherstäbchen brannten, die Wände waren wie damals mit indischen Tüchern verhängt, marokkanische Puffs luden ein zum Rasten oder Schmusen. Eine Bar in der Ecke bot Salzgebäck, Erdbeerbowle und pikante Eier. Psychodelische Musik dröhnte aus den Lautsprechern. Beim Tanzen lösten sich falsche Wimpern und Stirnbänder rutschten übers schüttere Haupthaar. Und bald roch es so wie damals.
Wild wuchern die Bärte.
Wer für so eine Party in den alten Vinylbeständen kramt, sieht vor allem: Haare, ganz, ganz lange Haare. Und: Grateful Dead, eine der größten Hippie-Bands, die häufig unter LSD-Einfluss ihre Nummern mit halbstündigen Improvisationen ins musikalische Nirwana ausdehnte. Und Jefferson Airplane, Canned Heat, Santana, Crosby, Stills, Nash & Young, Janis Joplin, Jimi Hendrix. Aufs Allerschönste ist die Zeitreise der rebellischen Jugendlichen aber auf den Plattenhüllen der Beach Boys zu besichtigen, die als kreuzbrave Bubenband 1961 in ihre Karriere starteten. Zu Beginn lachen die Brüder noch mit Kurzhaarschnitt vom Cover, am Ende der Sechziger tragen sie ihr Haar schon schulterlang, und üppig wuchern die HippieBärte in den Gesichtern der Surfer.