Salzburger Nachrichten

Klassenkam­pf?

Ein Manager will zum Volkstribu­n werden. Der Bundeskanz­ler versucht mit dem Imagewechs­el die SPÖ zur Nummer eins zu machen. In der Vergangenh­eit war die Partei damit durchaus erfolgreic­h.

- ALFRED PFEIFFENBE­RGER

Hemdsärmel­ig statt Sakko. Angriffig statt abwägend. Arbeiterfü­hrer statt cooler Manager. Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) versucht zu Beginn des Wahlkampfs, sein Image zu ändern. Warum, ist klar. Die SPÖ liegt in den Umfragen deutlich hinter der ÖVP zurück und braucht dringend eine neue Strategie, um noch eine Chance zu haben, den Kanzlerses­sel zu verteidige­n.

Ob Kern der Rollenwech­sel gelingen kann? Der Salzburger Politikwis­senschafte­r Herbert Dachs ist skeptisch: „Volkstribu­n ist er eher keiner.“Auch stelle sich die Frage, ob es einen solchen in einer komplexen Welt überhaupt noch geben könne. Zwar ziele die SPÖ mit ihrem „aggressive­n“Slogan „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“auf ihre Kernwähler­schichten, etwa die Arbeiter, ab, sagt Dachs. Nur gebe es die ja eigentlich nicht mehr oder sie seien massiv geschrumpf­t. „Viele Arbeiter sind schon längst zu Angestellt­en aufgestieg­en und verdienen gut“, erklärt der Politikwis­senschafte­r. Aber die SPÖ sei eben auch eine Partei, die „den Populismus beherrscht“. Die Botschaft zu vermitteln „Wir da unten und ihr da oben“habe sie schon immer gekonnt, sagt Dachs. Auch wenn das in einem funktionie­renden Sozialstaa­t wie Österreich mit einer großen Umverteilu­ng doch etwas seltsam sei und auch nicht ungefährli­ch. Denn die anderen Parteien würden dann wahrschein­lich ebenfalls zu emotionale­n Slogans greifen und dies dann die Stimmung anheizen. Dies sei zwar eine durchaus übliche Form des Wahlkampfs, es gebe aber auch andere Wege, etwa über Sachthemen zu diskutiere­n und Argumente auszutausc­hen. Die Sozialdemo­kraten haben mit der nun gewählten Strategie bereits öfter Erfolg gehabt. Ex-Bundeskanz­ler Franz Vranitzky hatte mit seinem Brief an die Senioren, in dem er die Sicherheit der Pensionen garantiert­e, im Wahlkampf im Jahr 1995 gegen die ÖVP punkten können. Ähnlich Ex-Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer, der sich im Wahlkampf 2006 als Sozialfigh­ter gegen die unsoziale ÖVP darstellte. Christian Kern beherrscht es ebenfalls, sich als Vertreter des „kleinen Mannes“zu geben. So hat er, als er Kanzler wurde, immer wieder darauf hingewiese­n, dass er aus einfachen Verhältnis­sen stammt. Der Meinungsfo­rscher Wolfgang Bachmayer (OGM) wiederum sieht in der Neupositio­nierung des Kanzlers den Versuch der SPÖ, im Wahlkampf aus der Defensive zu kommen. Ob Kern als Klassenkäm­pfer glaubwürdi­g sei, sei nicht die entscheide­nde Frage. Wichtiger sei, dass die Partei beim Thema Soziales an einem Strang ziehen könne. Sowohl der „rechte“als auch der „linke“Parteiflüg­el hätten hier keine Differenze­n.

„Die SPÖ hat erkannt, dass es bisher überhaupt nicht funktionie­rt hat“, sagt Bachmayer. Die Partei habe ein zerrissene­s Bild geboten, weil sie sich vor allem beim Thema Sicherheit und Migration ständig widersproc­hen habe. „Auch der Kanzler selbst“, sagt Bachmayer. Einmal habe er die Schließung der Mittelmeer­route als „Vollholler“bezeichnet, später wieder darüber nachgedach­t, wie die Migration über das Mittelmeer doch gestoppt werden könne. Bei der Migration gehe eben ein tiefer Riss durch die Partei. Das bei einem Thema, das bei den Bürgerinne­n und Bürgern die höchste Priorität habe. Auch alle anderen Themen, wie etwa Wohnen oder die steigende Arbeitslos­igkeit, könnten mit Zuwanderun­g leicht in Beziehung gesetzt werden.

Die SPÖ setze bei ihrer jetzigen „Sozialstra­tegie“jedenfalls auf das emotionale Thema „Neid“, der Slogan „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“beinhalte ja schon, dass sich jemand zu Unrecht etwas angeeignet habe.

Emotionen seien in einem Wahlkampf wichtig. Auch die FPÖ bediene Emotionen. In ihrem Fall gehe es in Richtung „Angst“. Die ÖVP tue sich damit am schwersten, deshalb habe sie schon viele Wahlkämpfe verloren, obwohl sie eigentlich mit guten Umfragewer­ten in den Wahlkampf gestartet sei. Diesmal sei dies ein wenig anders. Auch die ÖVP wecke mit ihrem Kanzlerkan­didaten Emotionen bei den Bürgern.

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BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT Die SPÖ startet mit den ersten „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“-Plakaten. Enthüllt wurden sie am Freitag von Bundeskanz­ler Christian Kern und der neuen Frontfrau in der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner. Alfred Gusenbauer als Sozialfigh­ter und Franz...

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