Klassenkampf?
Ein Manager will zum Volkstribun werden. Der Bundeskanzler versucht mit dem Imagewechsel die SPÖ zur Nummer eins zu machen. In der Vergangenheit war die Partei damit durchaus erfolgreich.
Hemdsärmelig statt Sakko. Angriffig statt abwägend. Arbeiterführer statt cooler Manager. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) versucht zu Beginn des Wahlkampfs, sein Image zu ändern. Warum, ist klar. Die SPÖ liegt in den Umfragen deutlich hinter der ÖVP zurück und braucht dringend eine neue Strategie, um noch eine Chance zu haben, den Kanzlersessel zu verteidigen.
Ob Kern der Rollenwechsel gelingen kann? Der Salzburger Politikwissenschafter Herbert Dachs ist skeptisch: „Volkstribun ist er eher keiner.“Auch stelle sich die Frage, ob es einen solchen in einer komplexen Welt überhaupt noch geben könne. Zwar ziele die SPÖ mit ihrem „aggressiven“Slogan „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“auf ihre Kernwählerschichten, etwa die Arbeiter, ab, sagt Dachs. Nur gebe es die ja eigentlich nicht mehr oder sie seien massiv geschrumpft. „Viele Arbeiter sind schon längst zu Angestellten aufgestiegen und verdienen gut“, erklärt der Politikwissenschafter. Aber die SPÖ sei eben auch eine Partei, die „den Populismus beherrscht“. Die Botschaft zu vermitteln „Wir da unten und ihr da oben“habe sie schon immer gekonnt, sagt Dachs. Auch wenn das in einem funktionierenden Sozialstaat wie Österreich mit einer großen Umverteilung doch etwas seltsam sei und auch nicht ungefährlich. Denn die anderen Parteien würden dann wahrscheinlich ebenfalls zu emotionalen Slogans greifen und dies dann die Stimmung anheizen. Dies sei zwar eine durchaus übliche Form des Wahlkampfs, es gebe aber auch andere Wege, etwa über Sachthemen zu diskutieren und Argumente auszutauschen. Die Sozialdemokraten haben mit der nun gewählten Strategie bereits öfter Erfolg gehabt. Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky hatte mit seinem Brief an die Senioren, in dem er die Sicherheit der Pensionen garantierte, im Wahlkampf im Jahr 1995 gegen die ÖVP punkten können. Ähnlich Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der sich im Wahlkampf 2006 als Sozialfighter gegen die unsoziale ÖVP darstellte. Christian Kern beherrscht es ebenfalls, sich als Vertreter des „kleinen Mannes“zu geben. So hat er, als er Kanzler wurde, immer wieder darauf hingewiesen, dass er aus einfachen Verhältnissen stammt. Der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) wiederum sieht in der Neupositionierung des Kanzlers den Versuch der SPÖ, im Wahlkampf aus der Defensive zu kommen. Ob Kern als Klassenkämpfer glaubwürdig sei, sei nicht die entscheidende Frage. Wichtiger sei, dass die Partei beim Thema Soziales an einem Strang ziehen könne. Sowohl der „rechte“als auch der „linke“Parteiflügel hätten hier keine Differenzen.
„Die SPÖ hat erkannt, dass es bisher überhaupt nicht funktioniert hat“, sagt Bachmayer. Die Partei habe ein zerrissenes Bild geboten, weil sie sich vor allem beim Thema Sicherheit und Migration ständig widersprochen habe. „Auch der Kanzler selbst“, sagt Bachmayer. Einmal habe er die Schließung der Mittelmeerroute als „Vollholler“bezeichnet, später wieder darüber nachgedacht, wie die Migration über das Mittelmeer doch gestoppt werden könne. Bei der Migration gehe eben ein tiefer Riss durch die Partei. Das bei einem Thema, das bei den Bürgerinnen und Bürgern die höchste Priorität habe. Auch alle anderen Themen, wie etwa Wohnen oder die steigende Arbeitslosigkeit, könnten mit Zuwanderung leicht in Beziehung gesetzt werden.
Die SPÖ setze bei ihrer jetzigen „Sozialstrategie“jedenfalls auf das emotionale Thema „Neid“, der Slogan „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“beinhalte ja schon, dass sich jemand zu Unrecht etwas angeeignet habe.
Emotionen seien in einem Wahlkampf wichtig. Auch die FPÖ bediene Emotionen. In ihrem Fall gehe es in Richtung „Angst“. Die ÖVP tue sich damit am schwersten, deshalb habe sie schon viele Wahlkämpfe verloren, obwohl sie eigentlich mit guten Umfragewerten in den Wahlkampf gestartet sei. Diesmal sei dies ein wenig anders. Auch die ÖVP wecke mit ihrem Kanzlerkandidaten Emotionen bei den Bürgern.