Stillhalten ruiniert langfristig die öffentlich-rechtliche Arena
Die ORF-Konfrontationen zur Wahl werden gewiss Quotenhits. Sie täuschen über medienpolitischen Reformverzug hinweg.
Bald ist ein Jahr seit Ankündigung der ORF-Enquete für Frühjahr 2017 vergangen. Medienminister Thomas Drozda hat sie eine Woche nach der Wahl des öffentlich-rechtlichen Direktoriums avisiert. Mit diesem Signal zu Reformgesprächen nahm er harten Staatsfunk-Kritikern Wind aus den Segeln und gab den Startschuss zu einer nationalen öffentlichen Diskussion.
Die internationale Einbettung des Schachzugs fand austro-naturgemäß kaum Beachtung. Kurz zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer die Fusion von ARD und ZDF angeregt. Das ist ungefähr so radikal wie die Forderung nach Privatisierung von ORF eins und Ö3. Entsprechend heftig waren die Reaktionen auf solche Ambitionen, wie sie hierzulande ÖVP und FPÖ zugetraut werden.
Pünktlich zu Frühjahrsbeginn präsentierten dann die Neos ihre ebenso rigorosen Vorstellungen einer öffentlich-rechtlichen Medienförderung, die letztlich das Milliardenbudget des ORF halbieren würde. Doch noch vor dem Wechsel der Jahreszeit, fast exakt ein Jahr nach der Angelobung Drozdas, wurde der Neuwahltermin verkündet – und Medienpolitik gehört definitiv nicht zu den Wahlkampfthemen.
Das gilt prinzipiell wie international. Auch in Deutschland ist die ARD/ZDF-Diskussion längst vom Tisch. ProSiebenSat.1-Vorstand Conrad Albert hat vergeblich versucht, sie mit einem Neos-ähnlichen Plan neu anzufachen. Ein naives Unterfangen. Nie wird die Abhängigkeit von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Parteipolitik deutlicher als in Wahlzeiten.
So wie in Deutschland ARD und ZDF ist in Österreich der ORF die wichtigste Auftrittsfläche für alle etablierten Listen. Angesichts der Alterspyramide – ein Drittel der Wähler über 60 – gilt das trotz Social Media. Mit den Hütern dieser Arena legt sich keine Bewegung oder Partei in Phasen ihres existenziellen Wettbewerbs an. Also genießen die öffentlichrechtlichen Kolosse eine Schonfrist bis mindestens Frühjahr 2018. Davor sind die neuen Regierungen kaum medienhandlungsfähig.
Diese vermeintlich eigennützige Pause der Politik schadet ihr in Wirklichkeit. Angesichts der rasanten globalen Medienentwicklung sind vieljährige Reformaufschübe wie gegenüber dem ORF die beste Wettbewerbsbeihilfe für Privatmedien. Ungeachtet der gewiss hervorragenden Quoten für alle Wahl-Konfrontationen: Im Hintergrund ruiniert die Stillhaltepolitik langfristig ihre verlässlichste Bühne.