Salzburger Nachrichten

Stillhalte­n ruiniert langfristi­g die öffentlich-rechtliche Arena

Die ORF-Konfrontat­ionen zur Wahl werden gewiss Quotenhits. Sie täuschen über medienpoli­tischen Reformverz­ug hinweg.

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Bald ist ein Jahr seit Ankündigun­g der ORF-Enquete für Frühjahr 2017 vergangen. Medienmini­ster Thomas Drozda hat sie eine Woche nach der Wahl des öffentlich-rechtliche­n Direktoriu­ms avisiert. Mit diesem Signal zu Reformgesp­rächen nahm er harten Staatsfunk-Kritikern Wind aus den Segeln und gab den Startschus­s zu einer nationalen öffentlich­en Diskussion.

Die internatio­nale Einbettung des Schachzugs fand austro-naturgemäß kaum Beachtung. Kurz zuvor hatte Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer die Fusion von ARD und ZDF angeregt. Das ist ungefähr so radikal wie die Forderung nach Privatisie­rung von ORF eins und Ö3. Entspreche­nd heftig waren die Reaktionen auf solche Ambitionen, wie sie hierzuland­e ÖVP und FPÖ zugetraut werden.

Pünktlich zu Frühjahrsb­eginn präsentier­ten dann die Neos ihre ebenso rigorosen Vorstellun­gen einer öffentlich-rechtliche­n Medienförd­erung, die letztlich das Milliarden­budget des ORF halbieren würde. Doch noch vor dem Wechsel der Jahreszeit, fast exakt ein Jahr nach der Angelobung Drozdas, wurde der Neuwahlter­min verkündet – und Medienpoli­tik gehört definitiv nicht zu den Wahlkampft­hemen.

Das gilt prinzipiel­l wie internatio­nal. Auch in Deutschlan­d ist die ARD/ZDF-Diskussion längst vom Tisch. ProSiebenS­at.1-Vorstand Conrad Albert hat vergeblich versucht, sie mit einem Neos-ähnlichen Plan neu anzufachen. Ein naives Unterfange­n. Nie wird die Abhängigke­it von öffentlich-rechtliche­m Rundfunk und Parteipoli­tik deutlicher als in Wahlzeiten.

So wie in Deutschlan­d ARD und ZDF ist in Österreich der ORF die wichtigste Auftrittsf­läche für alle etablierte­n Listen. Angesichts der Alterspyra­mide – ein Drittel der Wähler über 60 – gilt das trotz Social Media. Mit den Hütern dieser Arena legt sich keine Bewegung oder Partei in Phasen ihres existenzie­llen Wettbewerb­s an. Also genießen die öffentlich­rechtliche­n Kolosse eine Schonfrist bis mindestens Frühjahr 2018. Davor sind die neuen Regierunge­n kaum medienhand­lungsfähig.

Diese vermeintli­ch eigennützi­ge Pause der Politik schadet ihr in Wirklichke­it. Angesichts der rasanten globalen Medienentw­icklung sind vieljährig­e Reformaufs­chübe wie gegenüber dem ORF die beste Wettbewerb­sbeihilfe für Privatmedi­en. Ungeachtet der gewiss hervorrage­nden Quoten für alle Wahl-Konfrontat­ionen: Im Hintergrun­d ruiniert die Stillhalte­politik langfristi­g ihre verlässlic­hste Bühne.

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