Salzburger Nachrichten

Das Gelbe vom Ei

Österreich­ische Eier sind vom Fipronil-Skandal bisher nicht betroffen. Das ist nicht nur eine Frage des Glücks. Wer wissen will, was er isst, muss dennoch hartnäckig nachfragen.

- Eier-Skandal REGINA.REITSAMER@SALZBURG.COM

Das Frühstücks­ei blieb einem zuletzt manchmal im Hals stecken. Da genießt man die Eierspeise vom liebevoll dekorierte­n Frühstücks­buffet des Wellnessho­tels, kauft beim Lieblingsb­äcker einen duftenden Krapfen oder beißt nach einem Badetag genussvoll im schattigen Gastgarten in das Schnitzel. Überall ist Flüssigei drin. Aus Österreich kommt es in 90 Prozent der Fälle nicht. Dafür aus Polen, wo anders als hier die tierquäler­ische Käfighaltu­ng längst noch nicht Geschichte ist. Oder aus den Niederland­en, wo zuletzt in Millionen Eiern Insektengi­ft gefunden wurde.

Gesundheit­sgefährdun­g bestehe keine, betonen die Behörden gebetsmühl­enartig. Das ist beruhigend, aber nur bedingt. Zum einen bleibt es ganz einfach unappetitl­ich, Insektizid­e zu essen, selbst wenn es einen nicht gleich krank macht. Zum anderen stellt sich schon die Frage, was ist vielleicht sonst noch in den vermeintli­ch guten Lebensmitt­eln drinnen?

Als Österreich­erin und Österreich­er kann man angesichts des jüngsten Fipronil-Skandals durchaus stolz sein. Während sich in Deutschlan­d Handelsrie­sen wie Aldi (Hofer) gezwungen sahen, alle Eier aus den Regalen zu räumen, und in den Niederland­en Millionen Eier vernichtet werden mussten, wurde in Österreich bisher bei keinem einzigen hier gelegten Ei Fipronil nachgewies­en. Da mag eine Portion Glück dahinterst­ecken. Schließlic­h war nach bisherigem Wissenstan­d Betrug dafür verantwort­lich, dass das in der Nutztierha­ltung EUweit verbotene Insektizid über eine Stallreini­gungsfirma in die Eier gelangte, weil es scheinbar gut gegen die lästige Vogelmilbe hilft. Und gegen Betrug ist keiner gefeit. Daneben aber – und da sind sich so gut wie alle Experten einig – ist es auch die Struktur und Beschaffen­heit der heimischen Landwirtsc­haft, die einen solchen Skandal zumindest weniger wahrschein­lich macht.

Geht es um Hühnerhalt­ung, gilt Österreich mittlerwei­le europaweit als Vorreiter. Nicht nur Käfighaltu­ng ist seit 2005 – früher als irgendwo sonst – verboten. Auch was den Platz pro Huhn, die gentechnik­freie Fütterung oder Hygiene-Vorschrift­en betrifft, sind die Regeln hier strenger. Gesündere Tiere aber, die auch ein Sandbad nehmen können, sind weniger anfällig für Milben. Zudem muss nach der üblichen Haltungsda­uer der Legehenne von etwa einem Jahr der Stall in Österreich feucht gereinigt werden und zumindest sieben Tage lang leer stehen. Großbetrie­be mit bis zu 300.000 Hühnern besetzen Legeplätze meist sofort nach – schon aus Kostengrün­den.

All diese Verbesseru­ngen kosten viel Geld. Geld, das der Konsument offenbar bereit ist zu zahlen. Im heimischen Handel werden so gut wie ausschließ­lich heimische Eier verkauft. Dass die einige Cent mehr kosten als anderswo, sorgt – wohl auch dank massiver Werbekampa­gnen des Handels selbst – längst für keine Diskussion­en mehr.

Dass der Fipronil-Skandal in der Vorwoche dennoch auf Österreich überschwap­pte, liegt an Industrie und Gastronomi­e. Zu den 111.000 Tonnen in Österreich produziert­en Eiern kommen hier noch 26.400 Tonnen importiert­e Eier, selbst aus Ländern wie der Elfenbeink­üste oder Argentinie­n. Argumente, dass Produkte wie Flüssigei in Österreich nicht zu haben seien, sind nicht viel mehr als Ausreden. Mit 84 Prozent ist der Selbstvers­orgungsgra­d bei Eiern hierzuland­e hoch. Bei doppelt so hohen Kosten für Flüssigei aus Österreich allerdings ist die Versuchung groß, zur ausländisc­hen Konkurrenz zu greifen. Zumal man bei Eierspeise, Tiramisu oder Kuchen – anders als beim Schalenei mit Aufdruck – nicht gleich sieht, woher das Ei kommt, und ob es ein Bio- oder doch ein Käfighaltu­ngsei ist.

Ein Umdenken findet auch hier statt. Der Fipronil-Skandal hat das zuletzt beschleuni­gt. Die Kunden sind sensibilis­iert und fragen nach. Zu Recht: Schließlic­h ist es nicht nur Aufgabe des Wirts oder Konditors, strenger kontrollie­rte heimische Eier zu nehmen. Sondern auch die Macht des Kunden, danach zu fragen – und einen Mehrpreis von einigen Cent zu akzeptiere­n.

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BILD: SN/APA/DPA/ARMIN WEIGEL Nur beim Ei in der Schale zeigt der Aufdruck gleich, woher es kommt.
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Regina Reitsamer
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