Regierung greift Niki unter die Flügel
Im Bedarfsfall würde auch Österreich Geld lockermachen, um die heimische Air-Berlin-Tochter in der Luft zu halten. Gewerkschafter wollen parallel zu den Marathonverhandlungen für den Fortbestand der 950 Niki-Jobs kämpfen.
„Cabin crew, please prepare for take off“– der Satz, mit dem Flugzeugpiloten die Besatzung auf den bevorstehenden Start aufmerksam machen, passt aktuell für die gesamte österreichische Billig-Airline Niki. Die Air-Berlin-Tochter ist zum Neustart unter dem Dach eines finanzkräftigen Eigentümers bereit – lieber unter den Schwingen des Lufthansa-Kranichs als unter der flügellahmen Air Berlin.
Derzeit werden zwar alle Flüge beider Airlines planmäßig durchgeführt, es gebe bei Niki genug Liquidität und auch keine Absicht, die Insolvenz zu erklären, unterstrichen die Airlines wiederholt. Doch wenn alle Stricke reißen sollten und Niki kurzfristig mehr Geld benötigen sollte, würde der Bund mit einem Hilfskredit einspringen, stellte Kanzleramtsminister Thomas Drozda am Freitag in Wien klar.
Die Republik habe eine „jederzeitige Unterstützung im Bedarfsfall zugesichert“. Drozda meint aber ebenso wie Verkehrsminister Jörg Leichtfried, dass dieser Bedarfsfall aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich ist. „Derzeit sind die Indizien so, dass das nicht notwendig ist, dass Niki eigentlich gut dasteht“, sagte Leichtfried am Freitag.
Schon der von der deutschen Regierung gegebene Überbrückungskredit über 150 Mill. Euro sollte die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs von Air Berlin bis voraussichtlich Ende November sicherstellen.
Sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind für den Herbst Parlamentswahlen angesetzt, vor allem den jeweiligen Regierungsparteien ist daher daran gelegen, dass nicht viele Tausend Menschen nach ihrem Sommerurlaub auf Flughäfen stranden, weil den Airlines das Geld ausgegangen ist.
Die Regierung hatte die Causa Niki zur Chefsache erklärt, nachdem sich Niki-Betriebsrat Stefan Tankovits an Minister Drozda gewandt hatte. Dieser habe umgehend Bundeskanzler Christian Kern informiert. Man habe sich darauf verständigt, dass der Bund einspringen werde, „wenn sich etwas negativ entwickelt“. Ende August sind die Gehaltszahlungen für die Mitarbeiter fällig, die sich in Summe auf einen zweistelligen Millionenbetrag belaufen sollen. „Es war dem Bundeskanzler wichtig, dass wir uns darum kümmern“, unterstrich Drozda. Schließlich gehe es um viele Arbeitsplätze, den Flughafen Wien und den Standort Österreich.
Anders als bei der insolventen Air Berlin müssen landende NikiBesatzungen anfallende Kosten (etwa für Treibstoff oder Handling) nicht bar bezahlen, „der Betrieb läuft völlig normal“, sagt Tankovits.
Bereit zum Neustart unter dem Dach eines finanzkräftigen neuen Eigentümers sind auch die zuletzt 950 Mitarbeiter der von Niki Lauda gegründeten Niki. 250 Piloten, 500 Flugbegleiter sowie je 100 für Technik und Verwaltung könnten eine Übernahme kaum noch erwarten, sagt Betriebsrat Tankovits nach Betriebsversammlungen in Wien und Düsseldorf, bei denen Mitarbeiter über den Stand der Dinge informiert wurden.
Fix ist zwar noch nichts. Doch die Stimmung unter den Mitarbeitern habe sich merklich verbessert, sagt Tankovits. Habe es nach der Insolvenzerklärung von Air Berlin am Dienstag „viel Wut und Frust“gegeben, sei seit der deutlichen Interessenbekundung an Niki durch Lufthansa am Donnerstag „wieder eine gewisse Zuversicht da“.
Bevor die Lufthansa am Freitag als Erste Verhandlungen um eine Auffanglösung aufnahm, hatte die größte Netzwerk-Airline Europas noch ihre Ziele dargestellt: Man wolle 90 der 140 Flugzeuge von Air Berlin übernehmen und Niki zur Gänze. Niki gilt als profitabelster Teil der zahlungsunfähigen deutschen Air Berlin.
Bei den Gesprächen, die über das ganze Wochenende laufen sollen, dürften auch andere Airlines ihr Interesse bekunden. Unter den Bewerbern soll sich etwa der britische Billigflieger Easyjet ebenso befinden wie Tuifly und der Ferienflieger Condor.
Offiziell Interesse bekundet hat auch der deutsche Luftfahrtunternehmer Hans Rudolf Wöhrl. Der Airline-Investor, der zuvor bereits die Deutsche BA (dba) und LTU in Rettungsaktionen übernommen hatte, will die Air-Berlin-Gruppe als Ganzes erhalten und zusammen mit Partnern als unabhängige Airline fortführen, erklärte Wöhrls Firma am Freitag.
Beobachter bescheinigen der Lufthansa die besten Karten im Poker um die lukrativen Unternehmensteile der Air-Berlin-Gruppe, das sind vor allem die wichtigen Start- und Landerechte („Slots“) sowie die Flugzeuge selbst. Bereits zu Jahresbeginn hatte Lufthansa 38 Air-Berlin-Maschinen samt Personal im Leasing übernommen, 33 gingen an die Billigtochter Eurowings, fünf an die Tochter AUA.
Entscheidend mitreden bei der Zukunft von Niki und Air Berlin werden die Wettbewerbshüter. Eingeschaltet sind die Kartellbehörden von Deutschland, Österreich und der EU, sie müssen beurteilen, ob durch eine Übernahme eine marktbeherrschende Stellung in Teilbereichen des Luftfahrtmarktes entsteht. Weniger Wettbewerb könnte höhere Preise für die Konsumenten zur Folge haben. Experten erwarten daher deutliche Auflagen. Die Behörden könnten die Übernahme von Air-Berlin-Teilen durch eine Airline limitieren und verlangen, dass manche Teile an weitere Mitbewerber gehen.
Zu klären ist auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit des deutschen Notkredits über 150 Mill. Euro, mit dem die Regierung den Air-BerlinFlugbetrieb vorerst aufrechterhält. Ryanair-Chef Michael O’Leary nennt die Hilfe „illegal“und wittert ein „offensichtliches Komplott“zwischen der deutschen Regierung, Air Berlin und Lufthansa.