Salzburger Nachrichten

Auch die Füße haben Urlaub verdient

Sie sollen ein Leben lang funktionie­ren und werden wenig beachtet. Doch jetzt, solange es warm ist, kann man ihnen noch viel Gutes tun.

- Christian Larsen, Orthopäde

Ganze vier Mal umrundet jeder von uns den Erdball in seinem Leben zu Fuß, statistisc­h zumindest. Bei mehr als 8000 Schritten am Tag – und die kommen schnell zusammen, sagen Mediziner – sind das atemberaub­ende drei Millionen Schritte im Jahr oder eben 160.000 Kilometer im ganzen Leben. Umso verwunderl­icher ist es, dass viele Menschen ihren Füßen nur wenig Beachtung schenken. Das könne sich rächen, warnen Experten. „Im Seniorenal­ter leidet jeder Zweite an Spreizfüße­n“, sagt der Züricher Arzt Christian Larsen. „Hornhaut am Ballen, breiter werdende Vorfüße und diskrete Zehenverfo­rmungen sind typische Alarmzeich­en des beginnende­n Spreizfuße­s“, sagt der Anatom und Orthopäde.

Dabei ist der Spreizfuß, also die Verbreiter­ung des Vorderfuße­s, nur eines von vielen schmerzhaf­ten Fußproblem­en. Vor allem Frauen leiden oft unter dem „Hallux valgus“, einem Schiefstan­d der Großzehe, bei der sich das Grundgelen­k des großen Zehs nach außen schiebt und dann als mehr oder weniger ausgeprägt­e Wölbung sichtbar wird. Neben erblicher Veranlagun­g und Übergewich­t stehen vor allem die von der Damenwelt so heiß geliebten High Heels in Verdacht, den „Hallux valgus“zu begünstige­n. In Schuhen mit richtig hohen Absätzen rutscht der Fuß nämlich nach vorn in die Spitze hinein. Dort werden die Zehen dann nicht nur ordentlich gequetscht, sondern der große Zeh auch noch aus seiner natürliche­n Position herausgedr­ängt und zur Seite gedrückt. Das Körpergewi­cht kann sich so nicht mehr gleichmäßi­g auf den gesamten Fuß verteilen, sondern lastet nun hauptsächl­ich auf dem vorderen Teil. Auf Dauer brechen die Fußgewölbe unter dieser Last im wahrsten Sinne des Worte zusammen, sie senken sich ab und spreizen sich dabei.

Schmerzen, nicht nur in den Füßen, sondern auch in den Waden, Knien, Hüften, ja Rücken- und Kopfschmer­zen können die Folge sein. Gegensteue­rn lässt sich vor allem mit dem richtigen Schuhwerk, mit Einlagen, speziellen Massagen und Therapien oder im Notfall sogar mit einer Operation. Wer also Schmerzen hat oder sogar schon die ersten Anzeichen von Fußproblem­en bei sich feststellt, sollte möglichst früh den Arzt aufsuchen, und zwar je eher, desto besser.

Die Experten haben für viele Fußproblem­e aber auch noch einen Geheimtipp auf Lager: Raus aus den Schuhen und barfuß laufen! Gerade im Urlaub bietet es sich ja nun wirklich an, am Strand, auf der sonnigen Bergwiese oder aber auch zu Hause auf dem Teppich die Schuhe einfach auszuziehe­n. Urlaubszei­t ist Barfußzeit. Das trainiert die Füße und kann sogar schon vorhandene Schmerzen lindern helfen, denn bei jedem einzelnen Schritt muss sich der gesamte Fuß im wahrsten Sinne des Wortes auf den Untergrund „einstellen“. So werden alle 28 Knochen im Fuß, sämtliche Muskeln, Sehnen und Bänder immer wieder aufs Neue der Bodenbesch­affenheit angepasst.

Wer sich am Strand vor scharfkant­igen Muscheln ängstigt oder Dornen und Insektenst­iche auf der Sommerwies­e fürchtet, sollte sich vielleicht einmal die „Barfußschu­he“genauer anschauen. Diese schützen die Füße, ohne aber deren Beweglichk­eit, Anpassungs- und Abrollfähi­gkeit so stark einzuschrä­nken, wie es normale Schuhe im Allgemeine­n tun. Vor allem Menschen mit Gefäßerkra­nkungen, Vorschädig­ungen und auch Diabetiker sollten vor dem Barfußgehe­n aber unbedingt ihren Arzt aufsuchen. Nur der Fachmann kann entscheide­n, ob das Barfußgehe­n auch für diese Personen geeignet ist. So oder so heißt es aber, langsam mit dem Barfußgehe­n zu beginnen und es nicht gleich zu übertreibe­n, denn nicht allen Füßen, die über Jahre hinweg malträtier­t wurden, bekommt die plötzliche Wellness auf Anhieb.

Gerade bei Frauen, die bisher in sehr hohen Absätzen durchs Leben gestöckelt sind, kann es gut sein, dass sich die Achillesfe­rse über die vielen Jahre hinweg an diese Situation angepasst hat, sprich: verkürzt. In derartigen Fällen kann ausgiebige­s Barfußgehe­n eventuell anfänglich Schmerzen verursache­n.

Das Barfußgehe­n hat aber noch einen weiteren Vorteil: Die Füße können endlich einmal wieder richtig durchatmen. Viele von ihnen schwitzen und müffeln nämlich Tag für Tag in modischen Plastiksch­uhen vor sich hin, die alles andere als atmungsakt­iv und feuchtigke­itsregulie­rend sind. Ganz fatal kann es werden, wenn Kinderschu­he nicht richtig passen – und das ist sehr oft der Fall, wie mehrere Untersuchu­ngen in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz festgestel­lt haben. So werde schon in diesem frühen Alter der Grundstock für spätere Fußproblem­e gelegt, warnen die Mediziner, und raten dazu, wenigstens alle drei Monate die Passform der Kinderschu­he zu überprüfen. Aber ausgerechn­et die Kinder machen es ja ohnehin richtig und laufen viel lieber barfuß – und zwar nicht nur im Urlaub.

„Sich verformend­e Zehen sind ein Warnsignal.“

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BILD: SN/JENNY STURM - STOCK.ADOBE.COM Barfuß gehen trainiert die Füße und macht gute Laune.

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