Wählt Grießnockerl!
Was, Sie sind noch kein Kandidat? Sie sollten sich wirklich ernsthafte Sorgen um Ihre soziale Stellung machen. Heut zu Wahlkampftage ist doch wirklich jeder schon irgendwo Kandidat. Jeder.
Da gibt es Kanzlerkandidaten, Vorzugsstimmenkandidaten, Spitzenkandidaten, Zählkandidaten, Ministerkandidaten, Überraschungskandidaten. Das Einzige, was man bei dieser Überfülle an Kandidaten nicht weiß, ist, was das eigentlich ist, ein Kandidat.
Die Antwort ist wie so oft bei den alten Römern zu suchen. Wenn sich dort jemand um ein öffentliches Amt bewarb, nahm er seine normale, wollfarbene Toga und färbte sie, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, mit einem Stück Kreide strahlend weiß. (Damals wurde am Beginn eines Wahlkampfs die Kreide also nicht gefressen, sondern dick aufgetragen.) „Weiß“heißt im Lateinischen „candidus“, sodass jeder wusste, wenn einer in einer weißen Toga aufs Kapitol kam: Ah, ein Kandidat!
Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass ein Kandidat jemand ist, der sich darauf versteht, etwas weiß zu machen. Aber so einfach ist die Sache nicht. Denn laut Kleinem Stowasser (gibt es eigentlich auch einen Großen?) bedeutet „candidus“nicht nur weiß, sondern auch blendend weiß, weiß glänzend, schneeweiß, strahlend, glänzend, heiter, froh, glücklich, aufrichtig, klar, ehrlich, redlich und ungekünstelt.
Alles das sind per definitionem die Kandidaten. Wozu aber – wenn man all diese löblichen Eigenschaften ohnehin schwarz auf weiß im Kleinen Stowasser nachlesen kann –, wozu gibt es dann eigentlich noch einen Wahlkampf, in dem die Kandidaten in die Welt hinausposaunen, dass sie strahlend, glänzend, heiter, froh, glücklich, aufrichtig, klar, ehrlich, redlich und vor allem ungekünstelt sind? Ist das nicht überflüssig? – Ja, das ist es zweifellos. Wahlkämpfe sind wie Gelsen. Man weiß nicht, wozu sie überhaupt da sind.
Es ist auch nur in der Politik so, dass einer Wahl offenbar zwingend ein Wahlkampf vorhergeht. Wenn Sie zum Beispiel im Wirtshaus eine Suppe bestellen, haben Sie die Wahl zwischen – zum Beispiel – einer Grießnockerl-, einer Leberknödel-, einer Nudel- und einer Backerbsensuppe. Sie wählen je nach Gusto eine der Suppen aus und fertig.
Stellen Sie sich vor, alle diese Suppen würden einen Wahlkampf starten. Die Grießnockerl plakatieren „Wählt Grießnockerl!“. Die Backerbsen versprechen zehn Backerbsen extra. Die Nudeln warnen vor der braunen Gefahr des Leberknödels. Der Leberknödel weist das aufs Suppenwürze-Schärfste zurück.
Plötzlich spaltet sich von den Leberknödeln eine Suppeneinlage ab und gründet die Frittaten. Die ebenfalls neu entstehende Milzschnittensuppe erklärt, von der Zweistelligkeit zu träumen, während die monarchistischen Kaiserschöberl noch Unterstützungserklärungen sammeln, ebenso die etwas einfältig wirkende Eintropfsuppe.
Doch das sind Nebenschauplätze. Das große Duell lautet Nudeln gegen Backerbsen. In allen Umfragen hat Basti, die Backerbse, die Nase weit vorn. Sie ist der Schnittlauch auf allen Suppen. Doch da holen die Nudeln zum Gegenschlag in die Suppenschüssel aus und erfinden den griffigen Speisekarten-Slogan „Hol dir die Nudeln, die dir zustehen!“.
Mit Spannung wartet alles auf das TVDuell. Werden die Backerbsen am Ende doch noch lasch? Wachsen sich die Nudeln zu Spaghettilänge aus? Oder wird der Wähler am Ende einer Überraschungskoalition von Gemüse, Rollgerste und Markknöderln den Vorzug geben? Millionen werden für den Wahlkampf versuppenpulvert.
Und das alles nur, weil Sie eine Suppeneinlage wählen wollen. Absurd, oder? Dabei gibt es doch (siehe oben) nur einen einzigen logischen Kandidaten: das weiße Grießnockerl.