Salzburger Nachrichten

Rettet das Auto!

- Othmar Behr

ICHsitze im Schanigart­en eines Grazer Cafés mit Blick auf den Opernring. Der ist eine dreispurig­e Einbahn. Auto um Auto rollt vorbei. Zu hören ist ein Rauschen, an den Tischen unterhalte­n sich die Gäste, ohne sich anzubrülle­n. Zu riechen ist nichts, was die Sinne irritieren könnte. Ich denke an die Zeit meiner Jugend hier in meiner Geburtssta­dt.

Die meisten Autos habe ich an ihrem Geräusch erkannt. Ein Opel klang nach Opel, ein Ford nach Ford und der VW, den wir noch nicht Käfer genannt haben, sondern einfach nur VW, überfracht­ete mit seinem schrillen Kreischen den ganzen Klangteppi­ch. Ein Geruch zwischen süßlich und kellermodr­ig lag in der Luft. Die Leute schimpften über den Lärm und über den Gestank. Für mich war es wie Musik und den Geruch liebte ich. „Unser Sohn ist ein Benzinhunn­e. Von mir hat er das nicht“, pflegte mein Vater zu sagen. Schon kurz nachdem ich sprechen gelernt hatte, gewann er durch mich Wetten. Wegen Autos.

Ich erinnere mich an diese Wettszenen nicht, sie wurden mir oft erzählt. Es muss sich so abgespielt haben: Mit Freunden spazierten meine Eltern mit mir an geparkten Autos vorbei. Auf Höhe eines Fahrzeugs ging ich in die Hocke. Ich warf Blicke auf die Zierkappen der Räder. Die waren in den Fünfzigern bei jedem Pkw obligat. Dann rief ich „Mertedes“, „Opl“, „Fiat“, „Loid“oder „Tauptitaup­ti“, mein kreiertes Wort für VW.

Ich war nämlich schon früh auch ein Meister von lautmaleri­schen Wortschöpf­ungen. Das Kreischen des VW-Motors hatte sich für mich wie „Tauptitaup­ti“angehört. Jedenfalls stimmten die Zuordnunge­n so gut wie immer und mein Vater kassierte Schilling um Schilling. Alles staunte. Niemand hatte je mit mir geübt. Die Welt wird nie erfahren, wodurch ich diese Fähigkeit erlangt hatte.

Heute gewinnen Eltern keine Wetten, sondern werden kritisiert, trumpfen ihre Kinder mit Autowissen auf. „Warum habt ihr ihnen das nicht verboten?“Das Auto steht in der Debatte für alles Schlechte, was die Menschheit der Menschheit antut. Ich will nicht aufzählen, was der Menschheit alles angetan wird. Welche Waffen gebaut werden, oder welche Abgase nicht gereinigt werden, so wie beim Auto. Bei solchen Argumenten stellen sich Autogegner taub. Ich äußere nur einen Wunsch: Rettet das Auto!

Newspapers in German

Newspapers from Austria