Das Grundbuch fährt im Geiste stets mit
Astrid Rössler hat einen trockenen Humor. Sie liebt ihre Enkelkinder und strickt gern. Das und mehr erfuhren die SN an einem Tag als „Beiwagerl“.
Grünen-Chefin Astrid Rössler bringt es im Jahr auf 3500 Radkilometer, doch heute hat der Drahtesel Pause. Pünktlich um 7.30 Uhr stehen vor dem Amtsgebäude der Landesregierung in der Kaigasse Chauffeur Hans Walchhofer und der Toyota Prius mit Hybridantrieb bereit. Das bedeutet: Das Ziel der Dienstfahrt liegt hinter dem Pass Lueg.
„Bis dorthin erledige ich alle Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln“, sagt Rössler. Diesmal steht ein Arbeitstag im Lungau auf dem Programm, der zugleich eine Reise durch die politischen Ressorts der Landeshauptmannstellvertreterin ist, von der Raumordnung bis zum Naturund Umweltschutz.
Ausgerüstet mit einem iPad, Arbeitsunterlagen und einem selbst gemixten Smoothie steigt Rössler ins Dienstauto, das sich die drei grünen Regierungsmitglieder teilen. Erste Station ist ein Besuch bei Bürgermeister Georg Gappmayer (ÖVP) in Tamsweg. Rössler will sich mit ihm über das neue Raumordnungsgesetz (ROG) austauschen. Zur Sprache sollen auch das neue räumliche Entwicklungskonzept sowie die im Naturschutzgebiet neu errichtete Ludlalm am Prebersee kommen.
Während Rössler ihre E-Mails kontrolliert, schaut sie immer wieder kritisch aus dem Autofenster. „Da ist wieder so ein scheußlicher Parkplatz, eine solche Flächenverschwendung wird es mit dem neuen ROG nicht mehr geben“, erklärt sie, als im Vorbeifahren ein großer Diskonter in der Landschaft auftaucht. „Jeder Blick weckt bei mir mehr oder weniger den Gedanken an eine Einlagezahl im Grundbuch.“Bei dieser Bemerkung muss Rössler schmunzeln: „Erst, wenn ich aus dem Bundesland hinauskomme, kann ich mich entspannen.“
Kurz vor der Mautstelle in St. Michael läutet das Handy. Landesrat Hans Mayr ist dran. Er bespricht mit Rössler, wie Fürstenbrunn an den Stauwochenenden im Sommer vor dem Ausweichverkehr bewahrt werden soll.
„In St. Michael muss ich immer an Ulrike Lunacek denken“, sagt Rössler dann mit Blick auf das Ortsschild. Aus der Gemeinde stammten Verwandte der grünen Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl. Sehr schön sei übrigens auch das Jufa-Hotel. Dort habe sie kürzlich nach einem Festkonzert übernachtet.
Das Gespräch mit Bürgermeister Gappmayer in Tamsweg verläuft konstruktiv. „Für das neue ROG sag’ ich Danke, da ist viel Gutes dabei“, sagt der Ortschef. Er wünsche sich jedoch weniger Bürokratie bei den Umwidmungen. Gappmayer führt die GrünenChefin noch durch das Schloss Kuenburg, das derzeit aufwendig generalsaniert wird. Rössler ist angetan und lobt auch das Konzept der Gemeinde zur Ortskernstärkung. Beschenkt mit einer Flasche Lungauer Enziansirup
macht sich Rössler auf zum nächsten Termin. Sie wird sich am Biohof Trimminger in Tamsweg ein Bild von einem InterregProjekt machen, das Günter Jaritz von der Naturschutzabteilung des Landes fachlich leitet. Am Hof werden seltene Ackerwildkräuter angebaut, drei Asylbewerber helfen mit, die Flächen zu betreuen.
Retour im Ort nützt Rössler die Gelegenheit für einen Rundgang. Sie kennt und schätzt die Geschäfte im Zentrum. Die Runde beginnt in der Wollstube Resi Klein. Rössler strickt gerne – bevorzugt Socken. Als „neuesten Hit“entdeckt sie jedoch gestrickte Drahtwaschl. „Die sind allerliebst“, schwärmt sie und deckt sich mit Wolle und Anleitung ein.
Weiter geht’s in die Buchhandlung Pfeifenberger. „Die Auswahl ist hier einmalig.“Rössler möchte Kinderbücher zum Vorlesen einkaufen, weil am nächsten Tag ihr Urlaub beginnt und für eine Woche die drei Enkelsöhne (2, 5 und 8 Jahre) aus Villach nach Salzburg kommen. „Jetzt trau ich mich gar nicht, Ihnen ein Plastiksackerl zu geben“, sagt Verkäuferin Roswitha Jeßner entschuldigend. Das ist auch nicht nötig, die Bücher passen noch in das Papiersackerl mit dem Tauernroggenbrot aus dem Kramerladen.
Auf der Liste steht noch ein Besuch bei Hartlauer. Rössler möchte dort ihrer Freude Ausdruck verleihen, dass der Konzern zunehmend Filialen in Ortszentren eröffnet. Auf dem Weg weckt ein Reparaturservice für Elektrogeräte Rösslers Aufmerksamkeit. „Da muss ich hinein.“Beherzt öffnet sie die klemmende Tür und steht Elektrotechniker Christian Prodinger gegenüber. „Grüß Gott, ich bin die Umweltreferentin des Landes und an Reparaturen interessiert, gibt es dafür eine Unterstützung des Landes?“Prodinger ist verdutzt und erfreut zugleich. Nachdem sich sein Erstaunen gelegt hat, führt er Rössler bereitwillig in die Werkstatt, in der er Geräte aller Art zum Leben erweckt: Kaffeemaschinen, Wasch- und Spülmaschinen, Staubsauger, Bügeleisen, Fernsehgeräte und Handys.
Wie viele Geräte er wieder in Gang bringe, will Rössler wissen. „Achtzig Prozent“, erklärt Prodinger. Er habe auch schon eine Eismaschine aus Belgien repariert. Ob er noch ein Selfie mit Rössler machen dürfe? Er darf. Zum Schluss erzählt er noch, dass seine Frau vor der Heirat auch Rössler geheißen habe. Die LH-Stv. gibt noch eine private Geschichte von einem kaputten Staubsauger zum Besten, den ihr Mann für unzerlegbar erklärt habe. Sie habe es jedoch geschafft.
Auf dem Weg zum nächsten Termin stärkt sich Rössler mit dem Smoothie, der dank Kühlpads frisch schmeckt – obwohl er nicht so ausschaut. In der Energiebombe stecken Wassermelone, Banane, Fenchel und Salatblätter. „Meine Mitarbeiter im Gewässerschutz scherzen immer und sagen, von so etwas würden sie maximal Proben nehmen.“In St. Margarethen angekommen meint Rössler: „Hier sind wir inkognito.“Sie will sich an Ort und Stelle ein Bild machen. Beim Skilift soll in dem kleinen Dorf ein 500-Betten-Hotel entstehen. Die Errichter, der Betreiber und die Gemeinde haben Rössler das Projekt kürzlich im Büro präsentiert. „Manche Dinge zeigen sich vor Ort anders.“
Zum Schluss stattet Rössler dem vom Land eingerichteten Wildbestäuberzentrum im Riedingtal einen Besuch ab. „Hummelpapst“Hans Neumayer, Umweltreferent der Erzdiözese, hält gerade den ersten Wildbestäuberkurs ab. „Mei, ist es hier schön“, schwärmt Rössler und denkt gerade gar nicht an eine Einlagezahl im Grundbuch.
Zurück im Büro bleibt kurz Zeit, die Postmappe durchzuschauen, ehe die Studenten der Umweltgruppe der Universität eintreffen. Um 16 Uhr ertönt plötzlich Vogelgezwitscher. „Das ist die Gartengrasmücke“, sagt Rössler und deutet auf die Uhr an der Wand. „Die habe ich mir selber geschenkt, jede Stunde singt ein Vogel.“Zum Arbeitsbeginn um acht trillert das Gartenrotschwänzchen, um 17 Uhr jubiliert das Rotkehlchen. „Es kommt auch vor, dass ich einen Vogel an einem Tag zwei Mal höre, das versuche ich aber zu vermeiden.“
„Solche scheußlichen Parkplätze wird es bald nicht mehr geben.“Astrid Rössler, LH-Stv. Grüne