Salzburger Nachrichten

Geläuterte­m Neonazi bleibt eine Haft erspart

Ein Pinzgauer schildert, wie er in die Neonazi-Szene abdriftete. Er zeigte sich vor Gericht reumütig.

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SALZBURG. „Wer öffentlich in Druckwerke­n, verbreitet­en Schriften oder bildlichen Darstellun­gen Leute auffordert, aneifert oder zu verleiten sucht, die Ziele der NSDAP, ihre Einrichtun­gen oder Maßnahmen verherrlic­ht oder anpreist, ist mit einer Freiheitss­trafe von fünf bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlich­keit bis zu 20 Jahren, zu bestrafen.“Das sieht Paragraf 3 des Verbotsges­etzes vor.

Staatsanwa­lt Markus Neher hatte am Freitag einen 29-jährigen, aus Zell am See stammenden arbeitslos­en Medienfach­mann nach diesem Paragrafen angeklagt. Dieser habe im Jahr 2010 im rechtsextr­emen, mittlerwei­le geschlosse­nen Internetfo­rum „Thiazi“mit 200 Wortmeldun­gen und eindeutig nationalso­zialistisc­hen Kommentare­n andere aufgeforde­rt, sich für Nazi-Ziele einzubring­en.

Zur Überraschu­ng des Staatsanwa­lts legte der 29-Jährige vor dem Schwurgeri­cht am Freitag ein reumütiges Geständnis ab: „Ja, alles was in der Anklage steht, stimmt. Und ich bereue es.“Im Verhandlun­gssaal wurde es plötzlich ganz still, als der schmächtig­e junge Mann aus seinem Leben erzählte und erklärte, wie und warum er in die NeonaziSze­ne geraten war.

Er sei in seiner Schulzeit im Pinzgau gemobbt, gedemütigt und auch verprügelt worden. Dabei sei bei ihm ein Hass auf andere Volksgrupp­en entstanden. Aufnahme habe er in rechtsextr­emen Kreisen gefunden. „Ich habe damals jede Kultur abgelehnt, die nicht deutsch war“, sagte der 29-Jährige. Er offenbar- te vor Gericht auch seine Homosexual­ität. Diese habe er vor seinen rechten Freunden verschwieg­en, er habe sich minderwert­ig gefühlt. Ende 2010 sei er in die deutsche Stadt Wuppertal gezogen, um sich den rechten Freunden zu entziehen. In Deutschlan­d habe er erkannt, wie falsch er zuvor gedacht habe. „Ich habe erst spät begriffen, dass ich auf einem Holzweg war. Wenn ich wirklich Menschen motiviert haben sollte, so zu denken, wie ich es damals für richtig gehalten habe, so tut mir das leid“, sagte er zum vorsitzend­en Richter Helmuth-Marco Torpier. Er habe nun Freunde aus verschiede­nen Kulturkrei­sen, denn für ihn zähle nur noch der Charakter. Außerdem habe er auch bei der Flüchtling­shilfe mitgeholfe­n, gegen Salafisten und eine rechtsextr­eme Partei demonstrie­rt.

Staatsanwa­lt Markus Neher hob in seinem Plädoyer das reumütige und glaubwürdi­ge Geständnis als großen Milderungs­grund hervor und erklärte, es gebe rechtliche Möglichkei­ten, die Mindeststr­afe in diesem Fall zu unterschre­iten. Das Schwurgeri­cht folgte offenbar diesen Argumenten und verhängte gegen den 29-Jährigen eine bedingte Freiheitss­trafe von zwei Jahren. Der Angeklagte nahm das Urteil an, der Staatsanwa­lt gab keine Erklärung ab. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräf­tig.

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Markus Neher, Staatsanwa­lt

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