Strache lebt hier nicht mehr
Aber er ist immer noch in der schlichten Wohnung seiner Mutter gemeldet.
WIEN. Heinz-Christian Strache mag Inseln. Neben Straches Lieblingsinsel Ibiza ist auch der dritte Wiener Gemeindebezirk irgendwie eine Insel – ganz anders freilich. Kein anderer Wiener Bezirk ist ähnlich abgeschottet von den Nachbarbezirken: durch den Donaukanal, den Wienfluss, den Stadtpark, das Belvedere, den Südbahnhof, die Autobahn, das ehemalige St. Marxer Schlachthofgelände.
Auch im Innern hat der Bezirk Landstraße Grenzen. Im bezirkschauvinistisch geprägten Wien gibt es Landstraßer Bürger, die ihre Wohnlage näselnd mit „dritter Bezirk, Botschaftsviertel“angeben.
Doch da kommt Heinz-Christian Strache nicht her – was er mit Thomas Klestil und Joe Zawinul gemeinsam hat, die fast 40 Jahre vor ihm durch Erdberger Gassen gezogen waren. Einen Thomas-KlestilPlatz gibt es längst im dritten Bezirk, einen Joe-Zawinul-Park auch.
HC Straches Gasse im dritten Wiener Gemeindebezirk ist immer noch die Keinergasse. Hier ist er aufgewachsen in einer engen Wohnung, aus der er, wie er im Scherz manchmal betonte, mit sechs Jahren „auszog“, in Internate in Favoriten und in Strebersdorf, weil seine Mutter die Kleinstfamilie allein durchbringen musste. Was heißt ausgezogen? Offiziell wohnt Strache immer noch bei Muttern in dem sehr schlichten Haus mit der Autowerkstatt im unasphaltierten Hof. Meldezettel sind geduldig.
Strache – formell Bezirksparteiobmann im dritten Bezirk – wählt damit auch immer in der Erdberger Schule ums Eck. Spitzenkandidat ist er aber nicht hier im Regionalwahlkreis Innen-Süd, zu dem „der Dritte“gehört, sondern in WienSüd mit Favoriten, Simmering und Meidling, wo es für die FPÖ mit dem Grundmandat deutlich leichter ist
Auch in der Keinergasse wird „entwickelt“. Die beiden Nebenhäuser sind abgerissen und durch propere Neubauten ersetzt. „Ruhiges Wohnen in zentraler Citylage“, steht auf der Homepage des sehr teuren Immobilienmaklers.
Das Haus, in dem Strache zumindest an den Wochenenden aufwuchs und – zumindest offiziell – immer noch residiert, ist außen frisch gestrichen, aber innen eher urig. Dass es in einem Buch über Strache geheißen hat, seine Mutter wohne auf Zimmer-Kuchl-Kabinett, hat die Wirtin des ums Eck gelegenen Stammbeisls von Straches Mutter trotzdem geärgert. Es sei eine schöne Altbauwohnung, „Zimmer, Kuchl, Kabinett und Kabinett, Zimmer z’sammg’legt“, sagt sie.
„In unserem Stock haben nur zwei Wohnungen das Klo innen“, erzählt ein pensionierter Dachdecker, der vor seiner Gangküche steht. Er wohnt seit 42 Jahren in dem Haus und erinnert sich gut an das Nachbarskind: „A super Bua – freundlich, dann war er bald im Internat. Und mit Politik hab ich nix zu tun.“Die Gegend habe sich verändert. „Am Anfang waren sehr viele Jugos da und jetzt hamma die Türken. Durch die Moschee, da geht es oft zu bei 200 Leuten, und jedes zweite Geschäft is a Türk. Auf 200 Metern sechs türkische Friseur’.“
Die Insellage des dritten Bezirks hat über die Jahre nicht verhindert, dass viele Menschen aus der Fremde zuzogen. Vor Jahrzehnten hieß der nahe Kardinal-Nagl-Park unter Erdberger Jugendlichen „Jugopark“. Und heute haben die heimischen Lokale wie das „Gmiatliche Eck“und die „Keinerstuben“zumindest im Straßenbild verloren gegen die türkische Bäckerei, den türkischen Fleischer, „Sultan’s Restaurant“, die muslimischen Friseure, den AtibMoschee-Verein. Strache räumte in einer Biografie ein, dass ihn die Keinergasse politisch bewegt und geprägt habe. Zuerst sei es nur ein Geruch gewesen. „Dass dort neue Leute zuziehen, dass da auch, wenn man so will, jetzt vermehrt Knoblauchgerüche der Fall sind. Dass man mehr Lärm gehört hat.“
Der geschäftsführende FPÖ-Bezirksparteiobmann Dietrich Kops
SN-THEMA Nationalratswahl 2017
sagt den SN, der dritte Bezirk sei sehr wichtig für Strache, „denn hier hat alles begonnen“. Kops erinnert sich an Straches Anfänge als kleiner Bezirksrat. Die FPÖ hatte in der Dietrichgasse ein winziges Parteilokal. „Da waren 90 Prozent Senioren, die sich zu einem Bier getroffen haben. Die Bezirksgruppe war im Schlummerschlaf. Erst durch Strache haben sich dann viele Junge gefunden. Er war natürlich auch ein Magnet.“Er sei motiviert und engagiert gewesen und sehr offen auf die Leute zugegangen. „Ich hab mir gedacht, er wird sicher eine interessante politische Zukunft haben. Und so war es dann auch. “
Strache sei sich für nichts zu schade gewesen: Gemeinsames Plakatieren, Wirtshaustouren, Strache habe damals auch die FPÖ-Gemeindebautouren von Tür zu Tür im Rabenhof erfunden, mit denen man gleich sehr erfolgreich gewesen sei.
Der FPÖ-Chef sei tatsächlich bei seiner Mutter gemeldet, weil er „mit der Gegend verbunden“sei, bestätigt Kops. Und das, obwohl Strache ganz woanders wohnt? „Es hat vielleicht auch sicherheitstechnische Gründe. Als Freiheitlicher ist es nicht immer so einfach, als Privatperson zu agieren.“
Von Straches jugendlicher Wehrsportvergangenheit hat auch Kops erst im Nachhinein erfahren, wie er sagt. Damals in der Bezirksgruppe sei Strache fokussiert auf Parteipolitik und weg von diesen „Jugendsünden“gewesen, erklärt Kops.
Das Biotop im dritten Bezirk war nämlich nicht das Einzige, das den jungen HC geprägt hat. Während seiner Lehre war er in der Mittelschul-Burschenschaft Vandalia. Über Freunde bei der Vandalia gelangte er ins rechtsextreme Milieu. Im Tarnanzug robbte Jung-Strache mit Kameraden aus der ganz rechten Szene durch Kärntner Wälder. Später distanzierte er sich von „gewissen Entwicklungsphasen zwischen 18 und 21“. In dieser Zeit wurde der rechtsextreme NDP-Gründer Norbert Burger, mit dessen Tochter Strache liiert war, für ihn zum Vaterersatz. Burgers NDP strahlte übrigens auch in den dritten Bezirk aus. Sie hatte damals ihr Parteilokal im Landstraßer Fasanviertel.