Russen suchen die Mammuts
In Nordsibirien herrscht Goldgräberstimmung. Hunderte Trupps suchen nach den Stoßzähnen längst ausgestorbener Rüsseltiere. Sie erhoffen sich davon ein gutes Geschäft.
Die Männer sind tagelang unterwegs, zu Fuß, in Holzbooten, in sumpftauglichen Kettenfahrzeugen. Ihr Erfolg hängt davon ab, wie viele Kilometer sie am Tag bewältigen, wie scharf ihre Augen sind – und auch von ihrem Gefühl. In Nordsibirien wird Jagd auf längst ausgestorbene Rüsseltiere gemacht: auf Mammuts und ihre Stoßzähne.
Hunderte Brigaden suchen in Jakutien, auf den Halbinseln Jamal und Tschukotka nach dem „weißen Gold“. Russische Händler zahlen für das Elfenbein der vorzeitlichen 15-Tonner Kilopreise von umgerechnet 360 Euro. Und ein Zwei-Meter-Stoßzahn wiegt über 80 Kilogramm – ein 30.000-Euro-Fund.
Aber die Suche in der langsam auftauenden Permafrosttundra Nordsibiriens ist teuer und mühselig. Wie der Elfenbeingräber Alexander Popow der Nachrichtenagentur Tass sagte, kostet eine achtwöchige Suchexpedition umgerechnet mindestens 7000 Euro: für Gerät, Benzin, Lebensmittel und Ersatzteile. „Viele verpfänden ihre Häuser, um auf Mammutsuche gehen zu können.“Besonders emsig arbeiten die Männer an der Polarmeerküste und auf den Inseln davor: „Das Meer schiebt sich jedes Jahr mehrere Meter vorwärts und wäscht die Steilufer aus“, sagt Witali, ein Moskauer Händler, der eigene Brigaden nach Nordsibirien schickt. Wo jemand das Ende eines Stoßzahns entdeckt, werden in Booten Dieselgeneratoren, Feuerwehrschläuche und Hochdruckspritzen herangeschafft, um die Erde wegzuspülen. Ist der Boden gefroren, schleppt man Holzöfen herbei, um Wasser zu erhitzen und die Erde mit Dampf aufzuweichen.
„Du musst Mut haben“, erklärte ein Stoßzahngräber französischen TV-Journalisten. „Die Ufer hier sind sehr steil, beim Ausspülen können 10 bis 20 Tonnen Erde auf dich herabrutschen.“Lebensgefahr, Gier und Misstrauen produzieren Goldrauschstimmung, nach Aussagen der Mammutjäger sind Prügeleien an der Tagesordnung.
Manchmal finden die Männer in der Frosterde ganze Skelette mit Fell und Fleischresten. Nach Angabe russischer Paläontologen grasten einst zehn Millionen Mammuts in den Steppen Nordsibiriens, im Winter nutzten sie ihre Stoßzähne, um den Schnee über den Bodenkräutern wegzuschaufeln. Sie sollen ausgestorben sein, als vor etwa 10.000 Jahren eine Wärmewelle die Steppe in einen unfruchtbaren Sumpf verwandelte.
Die Branche hat in Russland durchaus Tradition. Schon 1770 bat der Jakutsker Kaufmann Iwan Ljachow Zarin Katharina II. um das erste Monopol zur Suche von Mammutstoßzähnen am Nordmeer.
Inzwischen schätzen Experten, dass allein in Jakutien jährlich 60 Tonnen Stoßzähne umgeschlagen werden. Vergangenes Jahr erteilten die Behörden dort 78 Lizenzen zur Suche nach Mammutelfenbein. Ein Großteil der Suche und des Handels läuft aber laut Insidern illegal, an der Grenze zu China werden immer wieder Schmuggler mit mehreren Hundert Kilogramm Stoßzähnen festgenommen. Vor allem in China sei das Elfenbein heiß begehrt.