Salzburger Nachrichten

Zwei in einem Patriarcha­t für Anfänger

Jennifer Lawrence und Javier Bardem spielen in „Mother!“von Regisseur Darren Aronofsky ein Ehepaar in horrendem Gästestres­s.

- Film: „Mother!“, Horrorfilm, USA 2017, Regie: Darren Aronofsky. Mit Jennifer Lawrence, Javier Bardem, Ed Harris, Michelle Pfeiffer.

WIEN. Mit der Höflichkei­t ist es eine teuflische Sache. Da steht jemand vor der Tür und formuliert hartnäckig ein Anliegen. Man hat aber alle Hände voll zu tun oder auch nur das aufrichtig­e Bedürfnis nach Ruhe. Wie wird man diese Person freundlich und zivilisier­t los?

Von Darren Aronofsky, der 2014 mit der seltsamen Bibelverfi­lmung „Noah“erstaunt hat, 2010 mit „Black Swan“das Quälballet­tfilmgenre in Fantasy-Sphären überhöht hat und 2008 mit „The Wrestler“Mickey Rourke zu einem FastComeba­ck verholfen hat, kommt am Freitag „Mother!“ins Kino. Der Film ist ein Horrorthri­ller, der in keine Schubladen passen will. Und es ist höfliche Zurückhalt­ung, das rücksichts­volle Verschweig­en eigener Bedürfniss­e, das hier aus einer trauten Zweisamkei­t die schiere Hölle werden lässt.

Mutter (es gibt keine Namen in diesem Film, gespielt wird sie von Jennifer Lawrence) und Er (Javier Bardem) bewohnen zu zweit ein einsam gelegenes, mehrstöcki­ges altes Haus, an dem Mutter hingebungs­voll und kompetent herumrenov­iert, während Er, berühmter Schriftste­ller, sich mit einer Schreibblo­ckade abquält.

Dann steht eines Abends, gerade haben es sich die beiden auf der Couch gemütlich gemacht, ein Mann (Ed Harris) vor der Tür und fragt nach einem Zimmer, er habe gehört, hier sei eine Pension. Er bittet den Mann herein, noch bevor Mutter protestier­en kann. Der Mann benimmt sich gleich schlecht, „ich dachte, das wär deine Tochter, nicht deine Frau“(zwischen Bardem und Lawrence sind 21 Jahre Unterschie­d), doch Er findet das ganz normal, und Mutter muss das Gästezimme­r zurechtmac­hen.

Am nächsten Tag stellt sich heraus, der Mann ist in Wahrheit glühender Fan des Schriftste­llers. Dann steht auf einmal eine Frau (Michelle Pfeiffer) vor der Tür, es ist die Ehefrau von Mann, und die drängt Mutter gleich emotional in die Ecke und fragt, warum es denn noch keine Kinder gebe. Während die Männer sich betrinken, kritisiert die Frau an Mutters fader Unterwäsch­e herum, kommentier­t das Haus abschätzig, und Mutter versucht, höflich zu bleiben. Doch das ist erst der Beginn eines Eindringli­ngshorrors, der bis zum Äußersten und darüber hinaus geht.

„Mother!“macht grenzenlos neugierig, wie die Geschichte denn weitergeht, und mit dem Immermehr-immer-wilder ist der Film tatsächlic­h eine Weile auch abwechslun­gsreich, garniert mit Entsetzlic­hkeiten wie Höllenfeue­r, Sektenkult, Bürgerkrie­g und Menstruati­onsblut. Doch Aronofsky will noch mehr, will doppelte Böden, dreifache Bedeutungs­ebenen, das große Ganze zwischen Mann und Frau mit durchdring­endem Blick analysiere­n. Dass der patriarcha­le Mechanismu­s zwischen genialisch­em Schöpferma­nn und treusorgen­dem Eheweib so klassisch wie destruktiv ist, wird hier als großes Mysterium enthüllt, ist aber in Wahrheit so banal, dass es Kopfschmer­zen verursacht, länger über den Film nachzudenk­en.

Ja, Aronofsky hat verstanden, dass es oft die undankbare Rolle einer (jüngeren, begehrensw­erten) Frau ist, für den Künstlereh­emann dekorative Folie zu sein, der Begriff „Trophy Wife“, „Trophäenga­ttin“, hat sich da im Englischen durchgeset­zt. Zugleich umsorgt diese Frau ihn während seines kreativen Schaffensp­rozesses. Das ist so deprimiere­nd wie unoriginel­l, aber wird hier mit dem kühnen Blick dessen inszeniert, der das für eine riskante, provokante Neuigkeit hält – was eventuell daran liegt, dass ihm selbst die hegende Rolle nicht vertraut ist. Schließlic­h ist Aronofsky selbst genialisch­er Künstlerre­gisseur, dessen Hang zum Metaphysis­chen ihn oft über die Grenze in Richtung Kitsch treibt.

Und doch, „Mother!“– ja, mit Rufzeichen, um zu markieren wie anders und wild alles ist – ist ein Film, der mit seiner Eskalation ins immer noch Heftigere unterhält. Nach einem grotesk übersteige­rten Finale wird aber deutlich: Was vordergrün­dig wirkt wie bedeutungs­schwerer Symbolismu­s und Allegorie, ist bloße Dünnbrettb­ohrerei mit großer Geste und vielen Spezialeff­ekten. Da hilft keine Höflichkei­t.

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BILD: SN/CONSTANTIN Rollenvert­eilung: Fesche Junge (Jennifer Lawrence) umsorgt kreativen Älteren (Javier Bardem).

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