Salzburger Nachrichten

Bei Fragen nach dem Leben ist Entscheidu­ng ein Zwang

- Filmstarts der Woche lena Film: „Die dritte Option“, Doku, Österreich 2017. Regie: Th. Fürhapter.

„Wir haben gevögelt wie verrückt.“Die Doku „Die dritte Option“von Thomas Fürhapter beginnt mit sorglosem Übermut. Eine junge Frau erzählt, wie sie schwanger wurde, wie sie mit ihrem Freund zur Frauenärzt­in ging, „mir war nur wichtig zu hören, dass ich schwanger bin.“Und wie später Voruntersu­chungen eine schwere Schädigung ergaben. Wie sie vor einer Entscheidu­ng stand: Bekommen wir ein Kind, das vielleicht die Geburt nur kurz überlebt? Oder wollen wir eine späte Abtreibung?

Diese Erfahrungs­geschichte zieht sich wie ein roter Faden durch die Dokumentat­ion. Dass durch die Pränataldi­agnostik Frauen vor eine Wahl gestellt werden, die aber in Wahrheit nur negativ bewertete Entscheidu­ngen zulässt – einen Fötus mit Behinderun­g abzutreibe­n oder ein schwerbehi­ndertes Kind auf die Welt zu bringen – und dass die scheinbare Autonomie in Wahrheit Zwang erzeugt, wird deutlich.

Zu Beginn wirkt der Film sachlich, soweit das bei diesem hochemotio­nalen Thema möglich ist. Immerhin geht es da sehr schnell um Kategorien von lebenswert­em Leben, von „lebensunwe­rtem“, um Eugenik. Und schnell ist da die Parallele zwischen NSRassenhy­giene und Pränataldi­agnostik im Raum. Der Wunsch von Eltern nach einem gesunden Kind wird vorwurfsvo­ll paraphrasi­ert als „Ich will ein bestimmtes, ein normales Kind“. Illustrier­t wird die Aussage mit Bildern der Massenprod­uktion immer gleich grinsender Playmobilf­iguren, als ginge es um Normkinder.

Wie zur Bestätigun­g dessen, wie zwanghaft diese Vorwurfssi­tuation ist, sind es fast ausschließ­lich Frauen, die sich mit Babys und Kleinkinde­rn beschäftig­en, die Kindern mit kognitiven Behinderun­gen geduldig Sprachspie­le beibringen. Männer sind so krass abwesend, als wäre beim Kinderkrie­gen der Erzeuger völlig aus der Verantwort­ung genommen, als wäre die Tatsache, dass die Entscheidu­ng über einen Schwangers­chaftsabbr­uch Sache der schwangere­n Person ist, automatisc­h auch Entschuldi­gung für die totale Abwesenhei­t von Vätern. Dass ein gesellscha­ftlicher Konsens über die Ausgrenzun­g von Menschen mit angeborene­n Behinderun­gen größere Schuld daran trägt als die Entscheidu­ng der einzelnen Schwangere­n, kommt nur am Rande vor. Das wäre aber der aufrichtig­ere Film gewesen.

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