Die schöne Leich im Rinnsal
Da machte es Wummwumm im Voom Voom – oder wie die Popmusik in Wien langsam Fuß fasste und aus den Biotopen wuchs. Am Anfang war der Widerstand gegen den konservativen Mief.
WIEN. Für die ältere Generation ist es eine Zeitreise, für die Jüngeren ein echter Museumsausflug, die Ausstellung im Wien Museum. Wer sich an die Siebziger erinnert, war nicht dabei, lautet ein alter Spruch über die Zeiten, wo der „Tanztee für die junge Generation Ottakring“abgelöst wurde durch laute Rockmusik und allerhand Substanzen. Die aufbegehrende Jugend machte sich nicht beliebt, und wenn 1968 bei einer Fernsehumfrage ältere Herrschaften sich gegen den „Beat“aussprachen, der in Wien Einkehr hielt, drückte ein „kultivierter“Mann seine Feindseligkeit drastisch aus: „Die gehören alle ins Arbeitshaus.“
Man darf geradezu gerührt sein, wenn man bedenkt, dass sich am kommenden Samstag in Spielberg „The Rolling Stones“besonders mit alten Hadern beliebt machen werden. In Wien waren die Burschen um Mick Jagger erstmals 1965, die Tonanlage war so schlecht, dass man im Gekreische der Fans von der Musik wenig hören konnte. Ja, das war etwas anderes, die Schlurfs und anderen Halbstarken, die vorher noch den Twist trainiert hatten, passten sich alsbald an die rebellisch wirkenden Briten an.
Wenn man die Ausstellung im Erdgeschoß betritt, wird man eingehüllt in einen Sound-Brei aus zahlreichen Tonquellen, der mehrere Jahrzehnte umfasst. Abtrennen kann man sich mithilfe von Kopfhörern oder indem man sich an den diversen Stationen unter Schirmwänden an den Videos ergötzt. Aus privaten Sammlungen und Archiven haben die Ausstellungsmacher ihre Erinnerungen an die wilden Tage mit teils herzerwärmenden Exponaten bestückt. Kuratoren sind Walter Gröbchen, Thomas Mießgang sowie Michaela Lindinger.
Plattencovers, Plakate, Zeitungsausschnitte und unzählige Fotos zieren die dicht behängten Wände, wer sich vertiefen will, braucht Zeit. Dafür wird man bis zurück in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geführt, als im sogenannten Strohkoffer in der Kärntner Straße die Wiener Gruppe Lesungen abhielt, ein Friedensreich Hundertwasser und ein Helmut Qualtinger ebenso zum Stammpersonal gehörten wie Friedrich Gulda oder Joe Zawinul. Der Wiener Jazz wird übrigens in der Ausstellung beiseitegelassen.
Musik braucht auch Orte, und so entstanden ab den 1960ern Clubs, wo DJs das Neueste vom Musikmarkt auflegten. Der Albert-SeverSaal in Ottakring wurde zum Star Club Wien umfunktioniert, wo „The Beatniks“oder „The Sirs“für rhythmische Bewegung sorgten. Die Underground-Szene traf sich im Voom Voom oder im Camera Club. Müßig zu sagen, dass auch die Polizei sich mitunter dafür interessierte, was für Rauchschwaden durch die dicke Luft zogen.
Es ging aber auch „braver“, denn spätestens, als 1967 der Jugendsender Ö3 ins Leben gerufen wurde, breitete sich die populäre Musik auch über den Äther aus. Ein Plakat aus dieser Zeit versammelt die Discjockeys der Sendung „Musicbox“, darunter Ernst Grissemann, Andreas Heller, Frank Elstner und Alfred Treiber. Aus allen ist etwas geworden, auch aus dem Andreas, der heute André heißt. Alfred Treiber brachte die Banjoschrammeln „Worried Men Skiffle Group“auch auf die Idee, Texte von Konrad Bayer zu nehmen, „Glaubst i bin bled“markierte 1970 den Einbruch des Dialekts. Die „Glock’n, die 24 Stunden läut’“von Marianne Mendt und 1971 „Da Hofa“von Wolfgang Ambros führten zum Begriff „Austropop“in allerlei Ausformungen bis hin zu Georg Danzer und Rainhard Fendrich.
Während im Folkclub Atlantis gediegen musiziert wurde, wo man auf The Milestones, Jack Grunsky, Die Schmetterlinge oder Al Cook stieß, zogen die Freaks in die Vorstadt. Heute heißt das Etablissement Metropol, in den 70ern trat hier die Hallucination Company auf, aus der Hansi Lang und Hansi Hölzel herausragten. Dieser Hölzel machte als Falco Weltkarriere, ihm ist ein eigener „Seitenaltar“gewidmet. Drahdiwaberl machten Performances, ehe dieser Begriff inflationär wurde. Bis heute gibt es das U4, das einst Nirvana oder Prince als Gäste hatte.
Die Topologie der Schau führt zu heutigen Hotspots wie rhiz, Flex und Fluc und zu international wahrgenommenen Musikern wie Gustav, Soap&Skin oder Kruder&Dorfmeister. Aktuelle Phänomene wie Wanda oder Bilderbuch sind auch aufgenommen, aber die muss man wohl erst ein wenig abhängen lassen für die passende Museumsschublade.