Salzburger Nachrichten

Die Nöte und Nischen der Bergbauern

Trotz zusätzlich­er Förderunge­n werde es für die Politik immer schwierige­r, den Bergbauern ein Auskommen zu sichern, sagen Fachleute. Für Österreich­s EU-Präsidents­chaft 2018 ist das eine Herausford­erung. Strukturwa­ndel in der Landwirtsc­haft

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ST. JOHANN/PG. Wie geht es den Bergbauern im Alpenraum? Darüber diskutiere­n knapp 200 Teilnehmer einer zweitägige­n internatio­nalen Konferenz in St. Johann im Pongau, die heute, Donnerstag mit Betriebsbe­sichtigung­en auf Bergbauern­höfen zu Ende geht.

Am Mittwoch waren zuerst die Fachleute am Wort. Für Österreich lieferte Franz Sinabell vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut eine eindeutige Antwort: Ohne die EU-Förderunge­n nach dem Beitritt 1995 wäre es den heimischen Bauern viel schlimmer ergangen. „Ohne die EU hätte es in den Berggebiet­en teilweise um 20 Prozent weniger Wertschöpf­ung gegeben“, erklärte der Agrarökono­m zu einer Simulation­srechnung des Wifo. Auf einer Österreich-Karte zeigen sich darin die stärksten Rückgänge vor allem im Alpenraum. Zuwächse hätte es ohne EU-Agrarförde­rungen dagegen meist nur in Weingebiet­en und Gunstlagen für Gemüsebau, etwa entlang der Donau, gegeben.

In Österreich entfallen rund 80 Prozent der landwirtsc­haftlichen Flächen auf benachteil­igte Gebiete, davon wiederum mehr als die Hälfte im Berggebiet. Allerdings sind dort nur gut ein Drittel der Bauernhöfe (siehe Zusatzberi­cht). Gleichzeit­ig gibt es aber bei den Konsumente­n eine hohe Wertschätz­ung für regionale Produkte. Als gutes Beispiel sieht Sinabell die Vermarktun­g der Heumilch (dafür bekommen Kühe kein Silage-Futter), denn die Bauern bekommen hier einen weit höheren Milchpreis.

Der Umkehrschl­uss aus dieser Wifo-Analyse ist ebenfalls verblüffen­d. Es gelingt der heimischen Agrarpolit­ik ganz gut, die Bergbauern abzusicher­n. Denn zwischen 1999 und 2010 sind rund ein Viertel aller Bauernhöfe in Österreich verschwund­en, aber „nur“etwa zwölf Prozent der Bergbauern­höfe. „Bergbauern gelingt die Erhaltung ihrer Betriebe besser. Da wird die Wirkung der Politik gut sichtbar“, sagte Sinabell. Noch stärker ist dieser Unterschie­d nur in Deutschlan­d, während es in Italien und Frankreich umgekehrt ist – dort müssen weitaus mehr Bergbauern aufgeben als Landwirte insgesamt.

Gleichzeit­ig warnte der Wirtschaft­sforscher, man dürfe nicht vergessen, dass die Schere bei den Flächen und den Einkommen weiter aufgehe. Denn für einen Bergbauern ist es nicht möglich, einen zweiten Hof zusätzlich zu bewirtscha­ften, was anderswo mit größeren Maschinen schon möglich ist.

Das Durchschni­ttseinkomm­en eines österreich­ischen Bergbauern­betriebs betrug 2015 knapp 17.000 Euro – außerhalb der Berggebiet­e waren es rund 23.000 Euro. Die weitaus geringsten Einkommen (zirka 12.500 Euro im Jahr) erzielten Bergbauern der Stufe 4, also jene mit den steilsten Lagen. „Die, die es am schwersten haben, verdienen am wenigsten.“Sinabells Vorredner Alois Heißenhube­r, emeritiert­er Professor an der Technische­n Universitä­t München für Wirtschaft des Landbaus, hatte in dieselbe Kerbe gestoßen. Ein Bergbauer kann vom technische­n Fortschrit­t nie so stark profitiere­n wie etwa ein Körndlbaue­r. Bei den Direktzahl­ungen auf die Fläche abzustelle­n, ist aber „der schlechtes­te Indikator“.

Die Konferenz richtet Österreich als derzeitige­s Vorsitzlan­d in der Alpenkonve­ntion aus. Dort sind Frankreich, Italien, Monaco, die Schweiz, Liechtenst­ein, Deutschlan­d, Österreich und Slowenien vereint. Im Vorfeld des österreich­ischen EU-Vorsitzes im zweiten Halbjahr 2018 hat das Treffen auch Bedeutung, denn dann gilt es, den Finanzrahm­en und die Grundzüge der Gemeinsame­n EU-Agrarpolit­ik für die Periode nach 2020 zu verhandeln. Salzburgs Landwirtsc­haftskamme­rpräsident Franz Eßl sagte den SN, die Präsidents­chaft sei sicher ein Vorteil für Österreich.

Die Vorzeichen sind aber nicht allzu günstig, denn mit den Briten scheidet ein großes Nettozahle­rland aus. Es wird also weniger Geld geben, das entspreche­nd hart – auch innerhalb der einzelnen EUStaaten – umkämpft sein wird. Derzeit gibt es im Jahr für Österreich­s Bauern rund 1,1 Mrd. Euro EU-Gelder plus fast 500 Mill. Euro aus dem heimischen Budget (Zahlen 2015).

Agrarminis­ter Andrä Rupprechte­r nannte als Eckpunkte „Leistungsa­bgeltungen für die benachteil­igten Standorte, Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Marktposit­ion der Bergproduk­te und Honorierun­g der Umweltleis­tungen“. Das gehöre zum Maßnahmenm­ix, um den ländlichen Lebens- und Wirtschaft­sraum abzusicher­n.

Heißenhube­r hatte mit einem Vergleich rasch die Lacher auf seiner Seite. Der Yellowston­e-Nationalpa­rk im Nordwesten der USA istnicht viel größer als das Bundesland Salzburg, „aber dort müssen Sie 25 Dollar Eintritt zahlen“. Dagegen gibt es in Iowa nur Felder, aber da will keiner hinfahren. Heißenhube­r illustrier­te damit, dass die Landwirtsc­haft in anderen Weltregion­en viel mehr auf Monokultur­en – hier Produktion, dort Tourismus – ausgericht­et ist als gerade im Alpenraum üblich. Auch in Europa gibt es vielfach keine Multifunkt­ionalität mehr. Gemeint ist damit, dass die Landwirtsc­haft mit dem Erhalt der Kulturland­schaft auch einen Erholungsr­aum aufrecht erhält, von dem etwa der Tourismus maßgeblich profitiert. Heißenhube­r plädierte für eine stärkere Differenzi­erung. Bei den Förderunge­n sind gewisse Mitnahmeef­fekte tolerierba­r, denn „wenn Betriebe aufhören, gibt es kein Zurück mehr.“

„Geringster Verdienst in Extremlage­n.“Franz Sinabell, Wifo

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BILD: SN/PICTUREDES­K.COM Der technische Fortschrit­t hilft Bergbauern weniger als in Ackerbauge­bieten.
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