Die Gletscher gingen 2017 stark zurück
Im Hochgebirge finden derzeit wieder die Gletschermessungen des Alpenvereins statt. Es gibt hunderte Messstellen im Hochgebirge.
FUSCH, HEILIGENBLUT. Alle Jahre wieder im September rücken in Österreich rund 20 Freiwillige ins Hochgebirge aus. Sie bezeichnen sich selbst als „Gletscherknechte“und arbeiten für den Gletschermessdienst des Alpenvereins. Schon 1891 begann der Alpenverein, Daten von den Gletschern zu sammeln. Derzeit werden in Österreich jedes Jahr etwa 100 Gletscher vermessen. Die Ergebnisse münden in den Gletscherbericht des Alpenvereins, der jedes Jahr im Frühjahr erscheint, und werden an internationale Forschungsinstitutionen übermittelt.
Die Leiter des Teams sind Gerhard Lieb und der gebürtige Saalfeldener Andreas Kellerer-Pirklbauer von der Uni Graz. „Geländegängig muss man schon sein“, sagt Lieb. Steigeisen und Sitzgurt gehören zur Standardausrüstung. Und unliebsame Überraschungen beim Wetter gehören in dieser Höhe dazu. Deshalb ist es von Jahr zu Jahr unterschiedlich, wie viele Gletscher gemessen werden. Manchmal macht das Wetter die Arbeit unmöglich.
Kellerer-Pirklbauer sagt, im September werde gemessen, weil da die Gletscher nicht mehr weiter schmölzen und noch kein Neuschnee liege. So weit die Theorie. Diese Woche wollten Lieb, Kellerer-Pirklbauer und ihr Team die Pasterze, das Wasserfallwinkelkees und das Freiwandkees in der Glocknergruppe messen. Den Dienstag verbrachten sie aber großteils im Gebäude auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe an der Glocknerstraße. Draußen gab es Schneesturm.
Erst am Nachmittag konnten sie von dort die rund 300 Höhenmeter zur Pasterze absteigen. Zum Höhepunkt der Vergletscherung 1850 reichte der Gletscher fast bis zur Franz-Josefs-Höhe. Mit einem speziellen GPS-Gerät, das auch die Meereshöhe auf den Zentimeter genau erfasst, messen die Forscher ein paar Punkte am Ende der Gletscherzunge aus. „Sie ist etwa so weit zurückgegangen wie im letzten Jahr“, sagt Lieb. 2016 waren es 44,3 Meter. 2017 wieder 40 bis 50 Meter.
Am Mittwoch hatten die Gletschermesser herrliches Wetter. Und etwas, was sie bei der Arbeit am Gletscher kurioserweise gar nicht mögen: Den Neuschnee vom Vortag. Dadurch sieht man die Gletscherspalten nicht mehr. Auf dem Weg zum Wasserfallwinkelkees in 3000 Metern Höhe müssen sie sich vor Schneerutschungen in Acht nehmen. Im weiteren Verlauf ist der Steig nur mit Pfosten markiert und führt über vom Gletscher geschliffene Felsen, die unter dem Neuschnee eisglatt sind.
Am Schluss geht es durch ein Chaos aus Felsen und Schneefeldern unterhalb des Gletscherendes. Den Weg muss sich das Team dort selbst suchen. Und auch die Markierungen aus den Vorjahren. Mit roter Farbe haben die Gletscherforscher Zeichen auf erhaben Felsen gemalt, von denen aus die Entfernung zum Gletscherende gemessen wurde. Mit den Wanderstöcken wird der Schnee von verdächtigen Felsen gestochert und bald finden sich die Markierungen. „Das gelingt nicht immer“, sagt Lieb. Beim Messe der Länge kommen Maßband und GPS zum Einsatz. Festgehalten werden zum Teil aber auch Stärke, Profil, Volumen und Bewegung der Gletscher. Da sind dann zusätzliche Instrumente wie ein Bodenradar nötig. Bei den Gletschern gibt es oft 20 bis 30 Messpunkte.
Das Wasserfallwinkelkees ging heuer nur zwei bis drei Meter zurück. „Das ist wenig“, sagt Lieb. Der Grund: Das Gletscherende liegt heuer in einer Mulde. „Noch haben wir nicht alle Ergebnisse. Aber es gibt Anzeichen bei anderen Messstellen, dass 2017 kaum besser war als das Rekordjahr 2003.“Damals schmolz ein Zehntel der Alpengletscher.
„Entscheidend für unsere Gletscher ist das Sommerwetter.“ Gerhard Lieb, Gletscherforscher