Der Zankapfel Europa
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die Union erweitern. Die Parteien in Österreich haben zum Teil andere Pläne.
WIEN. Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, will die Union erweitern und ihr mehr Rechte geben. Die Begeisterung darüber hält sich in Österreich in Grenzen, auch weil Arbeitskräfte und Firmen aus dem Ausland die Lage am Arbeitsmarkt verschärft haben und dazu beitragen, dass die Löhne unter Druck geraten sind. Probleme, die andere westeuropäische Staaten ebenfalls haben. Eine Reform der EU ist dringend notwendig, sind sich eigentlich alle im Parlament vertretenen Parteien einig. Nur wohin diese führen soll, ist heftig umstritten. Ein Überblick.
SPÖ
Die SPÖ ist eine Befürworterin der Europäischen Union, will diese aber massiv umbauen, vor allem sozialer und gerechter soll sie werden. Dabei geht es der SPÖ derzeit vor allem um den Schutz der heimischen Arbeitnehmer und Betriebe. Diese sind durch die derzeitigen EU-Regelungen in erhebliche Bedrängnis geraten. Die Sozialdemokratie will deshalb strengere Auflagen für ausländische Firmen, die in Österreich aktiv sind. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort, so lautet die Parole, außerdem soll es strengere Strafen für Lohn- und Sozialdumping geben, die auch europaweit exekutiert werden. Dazu soll in Problembranchen und -regionen der Zuzug von ausländischen Arbeitskräften durch Bedarfsprüfungen geregelt werden. Mit diesen Forderungen ist die SPÖ nicht allein. In Teilen davon werden die österreichischen Sozialdemokraten auch vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron unterstützt.
ÖVP
Die ÖVP sieht ebenfalls erheblichen Reformbedarf in der EU. Die Union, die die ÖVP natürlich begrüßt, soll für die großen Themen (Verteidigung, Außengrenzenschutz) zuständig sein, sonst aber die Entscheidungen den Nationalstaaten überlassen. So wie die SPÖ sieht die ÖVP in den EU-Richtlinien, in denen die Zuwanderung und die Arbeit von ausländischen Betrieben in Österreich geregelt sind, ein großes Problem. Diese würden dazu führen, dass das österreichische Sozialsystem massiv belastet wird. Hier sind dringend Änderungen notwendig, ist die ÖVP überzeugt. So soll es Anspruch auf Sozialleistungen erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich geben.
FPÖ
Ein Austritt aus der EU ist für die FPÖ kein Thema. Allerdings wollen auch die Freiheitlichen die Union neu aufstellen. Die EU soll Rechte an die Nationalstaaten zurückgeben und weniger zentralistisch werden. Einen europäischen Einheitsstaat lehnen die Freiheitlichen ab. Eine gemeinsame Währung ist für die FPÖ nur dann sinnvoll, wenn die Volkswirtschaften, die ihr angehören, ähnlich strukturiert sind. Was derzeit nicht der Fall ist, wie die wirtschaftlichen Probleme mit den Ländern im Süden der Union zeigen.
Grüne
Die Grünen sind für mehr Europäische Union. Das Europäische Parlament soll das Recht erhalten, Gesetze einleiten zu können. Der Einfluss der Nationalstaaten soll zurückgedrängt werden. So soll es kein Vetorecht einzelner Staaten bei der Bekämpfung von grenzüberschreitender Steuerumgehung, -hinterziehung, -flucht und -betrug geben. Wahlen zum Europäischen Parlament sollen mit Listen europäischer Parteien geführt werden. Um die demokratische Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive auch auf europäischer Ebene herzustellen, wird der Europäische Rat, in dem die Staatschefs sitzen, in eine zweite parlamentarische Kammer umgewandelt. Diese soll gemeinsam mit dem Europäischen Parlament, mit Mehrheiten und ohne Vetorecht, europäische Gesetze beschließen. Zur Umsetzung dieser Reform fordern die Grünen einen Europäischen Konvent mit Beteiligung der Bevölkerung.
Neos
Die Neos machen aus ihrer Begeisterung für die EU keinen Hehl. Die Neos wünschen sich einen radikalen Umbau der Europäischen Union in Richtung einer „Republik Europa“, in der die Bürger anstelle der nationalen Regierungen das Sagen haben. So wie die EU derzeit gebaut ist, kann sie nicht Bestand haben, heißt es bei den Neos. Die Partei will, so wie die Grünen auch, einen EU-Reformkonvent mit Beteiligung der Bürger.
Liste Pilz
Für die Liste Pilz steht die EU am Scheideweg. Es gebe zwei Fragen zu klären: Wie sozial ist Europa und wie solidarisch? Zum einen geht es darum, ob es eine Union der Banken und Großkonzerne geben wird oder eine, die die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Zum anderen, ob die Union die Alleingänge von Polen und Ungarn in der Flüchtlingsfrage akzeptiere. Die EU dürfe in dieser Frage nicht nachgeben, sagt Peter Pilz. Es bestehe durchaus die Gefahr, dass die Union zwischen West und Ost zerbreche. Dies müsse verhindert werden, ob die EU mehr Rechte von den Nationalstaaten bekommen soll, müsse man aber genau diskutieren, dies sei nicht unbedingt notwendig.