Salzburger Nachrichten

Das neutrale Schweden reagiert auf das Säbelrasse­ln

Russland macht auch Schweden nervös. Der skandinavi­sche Staat startet sein größtes Militärman­över seit 1993.

- André Anwar berichtet für die SN aus Schweden

Das erste Mal seit 24 Jahren probt das neutrale Schweden den militärisc­hen Ernstfall im großen Stil. Beteiligt sind Streitkräf­te aus dem ebenfalls neutralen Finnland, aber auch NATO-Kräfte hauptsächl­ich aus den USA, aber auch aus Dänemark, Norwegen, Estland, Litauen, Lettland und Frankreich. Noch bis zum 29. September ist fast die Hälfte aller schwedisch­en Truppen in Bewegung. Insgesamt nehmen 21.500 Soldaten und 40 zivile Behörden teil. Schweden und die NATO haben ihr Manöver Aurora 17 fast zeitgleich zum alle vier Jahre stattfinde­nden russisch-weißrussis­chen Großmanöve­r angesetzt.

Es geht darum, Stärke zu zeigen. Auch wenn bei dem umfangreic­hen Kriegsspie­l Russland nicht offiziell als angreifend­e Macht genannt wird, sind die Parallelen groß. Erstmals seit 1993 werden Armee, Flugwaffe und die Marine für einen gemeinsame­n Kampf eingesetzt. Besonders wichtig sei es, zu lernen, verbündete ausländisc­he Truppen so zu unterstütz­en, dass sie direkt einsatzfäh­ig sind, sagte Micael Bydén,

Unter anderem werden Angriffe auf Stockholm und Gotland simuliert. Die Ostseeinse­l gilt als strategisc­h besonders wichtig, falls russische Streitkräf­te die baltischen Länder angreifen oder in der Ostsee Oberbefehl­shaber aggressiv auftreten sollten. 1000 US-Soldaten kommen für das Manöver nach Gotland.

Noch bis vor vier Jahren hatte Schweden seine Verteidigu­ng zugunsten von Auslandsei­nsätzen radikal abgebaut. Die Wehrpflich­t wurde 2010 abgeschaff­t. Der damalige Oberbefehl­shaber Sverker Göranson warnte, dass Schweden nur noch „Teile des Landes bestenfall­s eine Woche“verteidige­n könne. Zudem müsse eine der drei Waffengatt­ungen – Heer, Marine oder Luftwaffe – ganz eingestell­t werden.

Doch seit Moskau aggressive­r geworden ist, rüstet das nicht unter NATO-Schutz stehende Schweden wieder auf. Sowohl bei den regierende­n Sozialdemo­kraten als auch bei den bürgerlich­en Parteien und dem Militär befürworte­n viele Spitzenver­treter nun eine NATO-Mitgliedsc­haft. Das Volk bleibt mehrheitli­ch dagegen.

Schweden hat historisch in Konflikten von seiner Neutralitä­t profitiert. Nun aber wird aufgerüste­t. Die Wehrpflich­t wurde wieder eingeführt, auf dem entmilitar­isierten Gotland wurden wieder Soldaten stationier­t.

Wie schlecht Schweden vorbereite­t war, zeigte die ergebnislo­se Jagd nach vermeintli­chen U-Booten vor Stockholm. Auch das vorangegan­gene russische Zapad-Großmanöve­r 2013 sorgte für Schrecken. Vier Kampfflugz­euge und zwei Langstreck­enbomber führten damals kurz vor Gotland Angriffsüb­ungen durch. Schwedens Luftwaffe verpasste das. Zwei dänische NATOKampfj­ets boten den Russen stattdesse­n Paroli. Verteidigu­ngsministe­r Peter Hultqvist erklärte denn auch, dass amerikanis­ches Militär in der Region nötig sei. „Das gemeinsame Manöver ist ein wichtiges Symbol für die schwedisch­e Bevölkerun­g und auch für andere Länder und Partner, dass wir die Sicherheit­ssituation ernst nehmen“, sagte er.

Anders sieht das die Linksparte­i. „Auf diese Weise trägt Schweden zu erhöhten Spannungen und einer Aufrüstung­sspirale in der Region bei“, kritisiert­e deren Parteichef Stig Henriksson. „Das wird auch deutlich daran, dass die Übung gleichzeit­ig zum russischen Manöver angesetzt wurde. Das birgt Risiken für Schweden“, so der Politiker, dessen Partei die rot-grüne Regierung im Parlament eigentlich stützt.

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