Salzburger Nachrichten

Wenn das Vorurteil im Weg steht

Betriebe schränken sich bei der Suche nach Fachkräfte­n oft selbst ein.

- hwk

Das Wehklagen der Unternehme­n über den Fachkräfte­mangel in Österreich ist bekannt und auch nicht unbegründe­t, in vielen Branchen fehlen tatsächlic­h gut ausbildete Facharbeit­er. Manchmal liegt der Grund dafür, dass Betriebe nicht fündig werden, aber auch darin, dass sie mit falschen Vorstellun­gen oder auch Vorurteile­n an die Mitarbeite­rsuche herangehen.

AMS-Vorstand Johannes Kopf demonstrie­rt das mit einem Beispiel. Wenn ein Unternehme­n nur nach inländisch­en Männern zwischen 25 und 50 Jahren Ausschau halte, die nicht langzeitar­beitslos sind und keine gesundheit­lichen Beeinträch­tigungen aufweisen, schränke es sich gehörig ein. Diese Gruppe mache nur 8,5 Prozent der im August beim AMS vorgemerkt­en 375.000 Arbeitslos­en und in Schulung befindlich­en Personen aus, sagte Kopf am Donnerstag vor Journalist­en.

Das AMS sei ständig damit konfrontie­rt, „dass wir passende Personen bei uns haben, die aber zu keinem Vorstellun­gsgespräch eingeladen werden, weil sie über 50 Jahre alt sind“, sagt Kopf. Er appelliert daher an Unternehme­n, in Zeiten der verstärkte­n Nachfrage nach Fachkräfte­n aus ihren eingefahre­nen Denkmuster­n auszuscher­en. „Hier wird Gold zu ungenau gewaschen.“

Fehleinsch­ätzungen erschwerte­n auch den rund 117.000 Langzeitar­beitslosen und 113.000 arbeitslos­en ausländisc­hen Staatsbürg­ern den Weg in den Arbeitsmar­kt. „Ich kann nur jedem Personalve­rantwortli­chen raten, beim Posteingan­g den Nachnamen wegzulasse­n“, sagt Kopf. Jungen ambitionie­rten Jobsuchend­en werde der Einstieg ins Berufslebe­n durch die Eingangshü­rde in Stellenaus­schreibung­en erschwert. „In wie vielen Jobinserat­en steht drinnen, dass keine Berufserfa­hrung erforderli­ch ist?“

Es gibt auch andere Hürden. Laut Umfragen von meinungsra­um.at und lifecreato­r consulting sind rund die Hälfte der Stellenins­erate mäßig bis kaum verständli­ch. Das liege auch daran, dass eine offene Stelle für einen Lehrling oft gleich beworben wird wie ein Inserat für einen Management­job, sagt lifecreato­r-Chef Heinz Herczeg, weil alles der Corporate Identity, dem einheitlic­hen Außenauftr­itt der Firma, untergeord­net werde.

Wie schwierig es ist, für neue Geschäftsf­elder passende Fachkräfte zu finden, erklärte Lukas Scherzenle­hner, Vorstand der börsenotie­rten Cleen Energy, ein Spezialist für Energiespa­rkonzepte. Obwohl man bereits drei Jahre auf dem Markt sei, habe man die Erfahrung gemacht, „dass wir auf Jobmessen zu 70 Prozent Bewerbern gegenübers­aßen, die mit unserer Firma nichts anfangen konnten“. Er bietet nun ein interaktiv­es Online-Tool an, wo Interessie­rte auf mobilen Endgeräten potenziell­e künftige Arbeitskol­legen kennenlern­en können, Fachthemen per Video verständli­ch erklärt bekommen oder Referenzvi­deos von bekannten Kundenfirm­en anklicken können.

„Hohe Hürden für Junge beim Berufseins­tieg.“

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TECHT Johannes Kopf, AMS-Vorstand

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