Vom Jazzkeller auf Platz eins der Hitparade
Gestern noch im Jazzkeller, heute Erster der Schlagerparade. Ein gebürtiger Lungauer verblüfft die Szene und schert sich nicht um Kritik.
Er schrieb den Text. Er komponierte die Musik. Und er landete einen Ohrwurm. Ergebnis: Der Schlagzeuger Franz Trattner (50), eigentlich in der Welt des Jazz daheim, liegt mit „Zwa Minuten no mit dir“seit zwei Wochen auf Platz eins der Schlager-Hitparade von Radio Salzburg. Der gebürtige Lungauer aus Zederhaus lebt mit seiner Frau und den zwei Töchtern in St. Leonhard bei Grödig. Sein Erfolg hat ihn selbst ein wenig überrascht. Kritik, er mache jetzt auf Schlagersänger, lässt ihn kalt. „Die elf Lieder auf meiner neuen CD sind Austro-Pop. Ich bin auch kein Jazzer, ich bin Musiker.“Eher „belanglose Schlager, wie sie Andrea Berg oder Helene Fischer singen“, seien seine Miniaturen aus dem eigenen Alltag nicht. Trattner pendelt weiter zwischen den musikalischen Welten: Am Samstag ist er beim Festival Take the A-Train in Salzburg zu erleben. Live. Sein The Mingle Tingle Swing Club feiert Premiere. „Zwa Minuten no mit dir“dürfte da aber eher nicht auf dem Programm stehen.
SALZBURG. Schauplatz Jazzit Salzburg. An jedem ersten Dienstag im Monat ist dort das Funkorchestra des Schlagzeugers Franz Trattner zugegen. An besonderen Tagen und zu festlichen Anlässen kann die Besetzungsliste dann so aussehen: Franz Trattner (dr), Franz Kreimer (p), Matthias Löscher (g), Stephan Kondert (b), Robert Kainer (perc), Kurt Gersdorf (sax), Stefan Konzett (b), Joschi Öttl (tp), Fips Schröter (voc), Nicole Rochelle (voc) – aber hallo: Das ist im Wesentlichen die heimische Elite dieses Genres!
Doch wir wissen: Nix ist fix, aber vieles möglich: Franz Trattner, gebürtiger Zederhauser und Multiinstrumentalist, studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz.
Achtung, Schublade: Gemeinhin gilt er als Jazzmusiker. Und jetzt führt er die ORF-Schlagerhitparade an. Mit einem Lied, das als Liebeserklärung an seine Frau, eine Ärztin, zu verstehen ist. Es handelt vom Fortgehen am Morgen, vom kurzen Innehalten und einer Prise Zärtlichkeit als Wegzehrung und als Willkommensgruß. Was ist da passiert?
Trattner lehnt beim Gespräch auf der sonnigen Terrasse der SN die Etikettierung „Jazzmusiker“gleich einmal ab. Musiker lässt er gelten. Denn Musiker sei er voll und ganz. Seit drei Jahrzehnten. Er lacht und sagt: „Um Jazzmusiker zu werden, hätte ich noch viel mehr üben müssen.“
Trattners musikalisches und menschliches Netzwerk ist umfassend. Dreißig Mal schon war er in New York, wo er auch studierte. Er kennt die Szene dort. Und in Salzburg ist er eine Art Nukleus, wenn es um den Jazz geht. Parallel zum freien Spiel und zum Funk, der eigentlich seinem Lebensrhythmus entspricht, pflegt er mit seiner First Line Band die feine Tanz- und Unterhaltungsmusik. Bei Bällen, Hochzeiten, Partys oder Galaveranstaltungen.
Heuer im Frühjahr entstand eine CD. Titel: „Ein Hoch auf das Leben.“Aufgenommen in Österreich und New York. Mit dabei alles in allem fünfzig Musiker. Auch aus dem Umfeld von Rainhard Fendrich und der Seer.
Auf die Frage, ob es sich bei den elf Nummern auf der CD um Schlager handelt, reagiert Trattner bestimmt: „Nein. Das ist Austro-Pop. Mit dem bin ich aufgewachsen. Er hat mich geprägt.“Mit einer Nummer aus der CD, eben „Zwa Minuten no mit dir“, wurde Trattners Manager Markus Schwaiger bei mehreren Radiostationen vorstellig. Auch bei Radio Salzburg. Die Wahl der Hörer war eindeutig. Trattner führt mit der Single schon die zweite Woche die lokalen Charts an. In der Panzerhalle entstand in der Nacht auf Donnerstag ein Video zur CD. Es dürfte nächste Woche auf YouTube sein.
Und weil drei Leben nicht genug sind (Familie mit Frau und zwei Töchtern; Jazzmusiker und Popmusiker), kehrt er am Montag in sein viertes zurück. Ins Musikum. Wo er Schlagzeug unterrichtet. „Ich freue mich schon sehr auf die Arbeit mit meinen Schülern“, sagt er.