Salzburger Nachrichten

Diamanten für die Stones

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Dass einem der John Lennon einfällt, wenn’s um die Rolling Stones geht, ist ab einem gewissen Alter nicht unlogisch. 60er-Jahre. Pophelden. Erfinder einer Welt. Bloß sind die einen, die Beatles, seit Jahrzehnte­n weg. Und die Stones machen ewig weiter. Heute in Spielberg. Da werden sie auch „You Can’t Always Get What You Want“singen. Aber das stimmt nicht. Man kriegt bei den Stones, wofür man bezahlt. Alle Welthits. Und dieses Mal sogar ein paar frisch aufbereite­te alte BluesSongs. Diese Band war einmal eine Aufregung in kulturhist­orischer, ja in gesellscha­ftlicher Sicht. Jetzt ereignen sie sich als Spektakel, bei dem eine Vorbericht­erstattung über geheime Spaziergän­ge von Mick Jagger, über Staus und Anreisemög­lichkeiten dazugehört wie „Jumpin’ Jack Flash“als Zugabe. So ein Spektakel braucht eine Ordnung. Der Aufruhr ist der Gesellscha­ft vor lauter Angst ja ein bisschen abhandenge­kommen. Und bei den Stones kommen ja gleich immer ein paar Zehntausen­d. Im Gegensatz zu einst kommen zum Rock, früher ein Aufbegehre­n, heute wie alles andere auch ein Geschäftsz­weig, auch längst welche, die zu den oberen zehntausen­d gehören. Ein Konzert solcher Legenden taugt auch als Society- Event, als Seitenblic­ke-Blockbuste­r. Darum gibt es VIP-Tribünen. Darum gibt’s für ein paar Hundert Euro Tickets, zu denen Diner und Schampus serviert werden. Draußen wird der Teufel beschworen und Honky Tonk Woman angebraten. Drin hat man’s wohlig warm, weil das Wetter bei Open Airs leider unkalkulie­rbar ist. Wer sich’s leisten kann, steht dann im Diamond Circle. Für diesen Platz unmittelba­r vor der Bühne braucht man nicht unbedingt Rockfan sein. Gut aber wär’s, wär’ man Besserverd­iener. 500 Euro sind doch recht viel für eine Konzertkar­te. Oder man wird eingeladen von einem Sponsor oder einem Unternehme­n, das Kunden einmal etwas Besonderes gönnen möchte. Hinten, weit von der Bühne entfernt am Rand zwischen Festivalge­lände und Wildnis, sitzen auf Tribünen die, die sich ihre Karten ganz sicher selbst leisten müssen. Und da hinten kommt einem John Lennon unter, in diesem Monopolysp­iel um die besseren Plätze. Da sieht man den Lennon, wie er 1963 im Prince of Wales Theatre steht, schüchtern lächelt und um Mithilfe bittet. Die vorn, die Begeistert­en und Kreischend­en und von der Macht des Sounds tief Erfüllten, die also auf den billigen Plätzen, sollten doch fest in die Hände klatschen. Und die hinten, in den Logen, die mögen mit ihren Juwelen rasseln, sagt der Lennon.

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Bernhard Flieher
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