Und die Fluggäste?
Die Gebote für die Verwertung der insolventen Air Berlin liegen auf dem Tisch. Eine Entscheidung soll am 25. September fallen. Was aber bedeutet ein Zuschlag für diesen oder jenen Bieter für die Passagiere?
WIEN. Wenigstens die Piloten sind wieder fit. Weil sich am Dienstag und Mittwoch kurzfristig rund 200 Piloten von Air Berlin krankgemeldet hatten, waren allein am Dienstag 164 Flüge ausgefallen. Spätestens seit Donnerstag jedoch waren die meisten der 144 Air-Berlin-Flieger wieder in der Luft, es herrschte weitgehend Normalbetrieb – soweit das bei einer insolventen Fluglinie möglich ist. Zuvor hatte der Generalbevollmächtigte Frank Kebekus gewarnt, im Fall weiterer Krankenstände drohe die vollständige Liquidation von Air Berlin.
Der Vorfall zeigt, wie prekär die Lage bei der seit Mitte August insolventen zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft ist und wie verwundbar das den Flugbetrieb der hoch verschuldeten Airline macht. Sensibel ist die Situation auch, weil die Airline ohnehin nur noch dank eines 150 Mill. Euro schweren Überbrückungskredits der deutschen Regierung operieren kann. Ohne diese Geldspritze müssten die Flieger längst am Boden bleiben.
Dass es auch ohne Flugausfälle wegen akuter „Insolvenzia“bei der Belegschaft genug Sorgen und Informationsbedarf bei den Fluggästen gibt, davon kann Barbara Forster, Expertin für Fluggastrechte im Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ), ein Lied singen. Viele der täglichen Anfragen beträfen das Verhalten bei einem Flugausfall.
Pauschal rät die Juristin, bezahlte Flüge nicht zu stornieren, dann würden nämlich in der Regel lediglich Gebühren rückerstattet, nicht aber der eigentliche Ticketpreis. „In diesem Fall sollte man unbedingt auf einer alternativen Beförderung bestehen“, sagt Forster. Laut EUFlugrechteverordnung müsse die Airline bei einem Ausfall kostenlos für eine Umbuchung und einen Ersatzflug sorgen. Von der Alternative, sich den Kaufpreis zurückerstatten zu lassen, rät die Expertin ab: „Es ist riskant, jetzt eine Geldforderung an Air Berlin zu richten.“Solche Forderungen würden erst zum Abschluss des Insolvenzverfahrens behandelt und unterliegen der dann erzielten Quote, die sehr gering sein könne. Für aktuelle Informationen verweist sie auf die Website des EVZ (http://europakonsument.at) und jene von Air Berlin (www.airberlin.com).
Während sich für bereits gekaufte Tickets das Warten lohnen kann, bezeichnen Konsumentenschützer den Kauf neuer Tickets als Glücksspiel. Die österreichische Air-Berlin-Tochter Niki betont, nicht von der Insolvenz betroffen zu sein, grundsätzlich würden alle Flüge planmäßig durchgeführt. Was bedeutet der Verkauf von Air Berlin für die Ticketpreise? Eine klare Antwort ist erst möglich, wenn sich abzeichnet, wer den Zuschlag bekommen wird – und welche Pläne damit verbunden sind. Eine Entscheidung soll am 25. September fallen, dem Tag nach der deutschen Bundestagswahl.
Grundsätzlich gilt: je mehr Anbieter, desto mehr Wettbewerb und günstigere Ticketpreise. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass eine weitere Marktkonzentration durch Zuschlag an den Platzhirsch Lufthansa zu höheren Flugpreisen führen müsse, meint der Airline-Berater und frühere Lufthansa-Manager Ulrich Schulte-Strathaus. Entscheidend seien Kapazitäten und Nachfrage, die ungebrochen seien. Billigflieger warteten nur darauf, zu teure Strecken mit ihren günstigeren Kosten ins Programm zu nehmen. Bei der Neugestaltung der Luftfahrtlandschaft in Deutschland, Österreich und letztlich auch Europa haben die Kartellhüter ein gewichtiges Wort mitzureden. Neben nationalen Wettbewerbsbehörden, die ein Mitspracherecht haben, kommt da in erster Linie die EUKommission ins Spiel, weil der Zusammenschluss ein Volumen von mehr als 5 Mrd. Euro betrifft. Die Wettbewerbshüter sind jedenfalls auf dem Posten, erklärt Sarah Fürlinger von der Bundeswettbewerbs- behörde (BWB). „Die Lufthansa hat schon jetzt eine sehr starke Position, da muss jede Behörde sehr genau darauf schauen.“Dabei gehe es weniger um die Zahl der aus einem Land oder von einem Flughafen beförderten Passagiere. In der Hinsicht wäre der Lufthansa-Konzern (mit AUA, Eurowings, Germanwings, Lufthansa, Swiss und Brussels) mit 62,5 Prozent Marktanteil ab Wien schon jetzt dominant, zusammen mit Air Berlin/Niki läge der Anteil sogar bei 71,1 Prozent.
Stattdessen analysieren die Kartellwächter einzelne Strecken. „Ein Monopol muss verhindert werden“, sagt Fürlinger. Ergebnis der Prüfung müsse sein, dass noch genügend Wettbewerbsdruck auf den Flugstrecken bleibe, „nur so können für Konsumenten angemessene Ticketpreise bestehen bleiben“. Auflagen könnten die Abgabe bestimmter Slots an Konkurrenten sein.
Zurückhaltend gibt sich das deutsche Bundeskartellamt. Erst seien die Unternehmen am Zug, sagt Präsident Andreas Mundt. Dann werde sich die Behörde, wohl die EU-Kommission, „sehr genau ansehen, welche Auswirkungen die jeweiligen Übernahmepläne auf den Wettbewerb hätten“.
Freitagnachmittag endete die Frist für die Abgabe verbindlicher Angebote für Air Berlin und Niki. Air Berlin bestätigte den Eingang „mehrerer Angebote“. Unter den zumindest fünf Bietern sind die Lufthansa und das Konsortium Niki Lauda/Condor/Thomas Cook. Andere mutmaßliche Bieter wie Easyjet oder die British-Airways-Mutter IAG hielten sich bedeckt. Die chinesische Betreibergesellschaft des deutschen Flughafens Parchim hat eine Nachfrist beantragt. Die Übersetzung der Unterlagen ins Chinesische brauche noch mehr Zeit.
„Folgen wird man sich genau ansehen.“Andreas Mundt, Bundeskartellamt