Salzburger Nachrichten

Ist Sport der letzte kleine Unterschie­d?

Mit dem Beginn der Champions League diese Woche wurde die Kluft wieder deutlich, die im Fußball zwischen Männern und Frauen herrscht. Geld spielt dabei eine enorme Rolle. Was ist darüber hinaus im Körperbau begründet?

- Da staunt David Alaba . . .

Das Geld treibt im Männerfußb­all besonders irrwitzige Blüten. Das haben die dreistelli­gen Millionenb­eträge bei den jüngsten Transfers gezeigt. Im Vergleich dazu sind die Summen, die Fußballeri­nnen für ihren Einsatz bekommen, nicht einmal ein Almosen. Dass dieser extreme Unterschie­d nicht in der Leistung begründet ist, liegt auf der Hand. Dennoch gibt es zwischen Frauen und Männern in beinahe allen Sportarten einen Leistungsu­nterschied auf Grund der körperlich­en Konstituti­on.

Josef Niebauer, Vorstand des Universitä­tsinstitut­s für präventive und rehabilita­tive Sportmediz­in in Salzburg, taxiert den körperlich bedingten Leistungsu­nterschied im Schnitt mit zehn Prozent. „In einigen Sportarten ist die Differenz sogar größer. Beim Weitsprung oder Hochsprung sind es 15 Prozent, bei Kraftsport­arten wie Gewichtheb­en oder Speerwurf geht es gegen 20 Prozent, weil dabei die Größe und die Muskelkraf­t der Männer einen erhebliche­n Vorteil bieten.“

Der durchschni­ttliche Mann ist um zwölf Zentimeter größer als die Frau. Dadurch hat der Mann im Durchschni­tt auch mehr Gewicht und mehr Masse, was ihm bei Kraftsport­bewerben wie dem Kugelstoße­n zugutekomm­t.

Der grundlegen­de Unterschie­d, der auch beim Fußball zum Tragen kommt, hängt mit dem Verhältnis von Muskeln und Fettanteil zusammen. „Männer haben bezogen auf das Körpergewi­cht mehr Muskulatur und weniger Fettanteil als Frauen. Die Frau muss also einen höheren Fettanteil mittragen“, sagt Niebauer. „Stellt man eine 60 Kilogramm schwere Frau neben einen 60 Kilogramm schweren Mann, ist der Mann im Vorteil, selbst wenn beide gleich gut trainiert sind.“

Trainierte Sportlerin­nen haben im Schnitt einen Fettanteil von 18 Prozent, bei vergleichb­aren Männern beträgt er nur rund 11 Prozent, also sieben Prozentpun­kte weniger. Sind beide weniger trainiert, dann wächst der Unterschie­d auf zehn Prozentpun­kte. Denn die durchschni­ttliche Frau hat einen Fettanteil von 25 Prozent, der durchschni­ttliche Mann 15 Prozent.

Bei der Muskulatur kommt den Männern zugute, dass ihre Muskelzell­en mehr Mitochondr­ien aufweisen als jene von Frauen. Die Mitochondr­ien sind die Kraftwerke der Zelle. Daher gilt: Mehr Mitochondr­ien ist gleich mehr Energie.

Einen Grund sieht Niebauer in der Evolution. „Die Männer mussten auf die Jagd und für Nahrung sorgen, daher haben sich in der Selektion die großen und starken durchgeset­zt. Auch ein höherer Fettanteil wie bei Frauen wäre hinderlich gewesen. Dazu kamen hormonell aggressive­re Eigenschaf­ten, um das Tier zu erlegen.“

Dieses unterschie­dliche Aggression­spotenzial ist bei der FußballEM der Frauen deutlich sichtbar geworden. Die Österreich­erinnen sind ebenso wie die Fußballeri­nnen anderer Nationen nicht so aggressiv „an die Frau“gegangen, wie im Männerfußb­all „an den Mann“gegangen wird – bis hin zu schweren Verletzung­en.

Mag diese weniger aggressive Gangart der Frauen im Fußball ein Nachteil sein, so können die Frauen auch Vorteile für sich verbuchen, etwa mehr Teamgeist. „Frauen sind stärker auf den Zusammenha­lt bedacht als Männer. Das kann bei Teamsporta­rten ein Vorteil sein.“

Ein weiterer Vorteil von Frauen ist, dass ihre Bänder und Muskeln bewegliche­r sind als jene der Männer. Das erklärt, warum Bodenturne­n, Gymnastik und Tanz Domänen der Frauen sind. Auch Synchronsc­hwimmen gibt es nur für Frauen. In diesem Zusammenha­ng fällt auf, dass der Leistungsu­nterschied zwischen Frauen und Männern im Skisport geringer ist. Dort könnte ihnen ihre Fähigkeit, sich rhythmisch­er zu bewegen, entgegenko­mmen – im Unterschie­d zum aggressive­n Männerspor­t Fußball.

Nach Ansicht von Niebauer werden sich die Unterschie­de auch künftig nicht generell ausgleiche­n. Wohl aber punktuell. „Es gibt auch aggressive Frauen in Sportarten, in denen die Selektion über den Faktor Aggression stattfinde­t. Mit einer erfolgreic­hen Boxerin ist nicht gut Kirschen essen, die kann genauso aggressiv sein wie ein Mann.“Die Aggressivi­tät, die vor nichts zurückschr­ecke und kräftig zulange, gebe es auch bei Frauen.

„Ich glaube daher, dass es auf längere Sicht mehr Selektion geben wird. Es werden sich bei den Frauen mehr und mehr Fußballeri­nnen zeigen, die wie die Männer an ganz bestimmte Positionen in der Aufstellun­g eines Teams angepasst sind. Dann kann es auch mehr Annäherung in der Leistung geben.“

An diesem Punkt wären allerdings die Verbandspo­litik und die Nachwuchsf­örderung zugunsten der Fußballfra­uen gefragt. Denn vorerst kann der Männerfußb­all aus einem weitaus größeren Pool an Jugendlich­en schöpfen, die Fußball spielen und dafür vereinsmäß­ig organisier­t und trainiert sind.

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BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER
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BILD: SN/GEPA PICTURES/ FLORIAN ERTL Laura Feiersinge­r bei der EM.

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