Ist Sport der letzte kleine Unterschied?
Mit dem Beginn der Champions League diese Woche wurde die Kluft wieder deutlich, die im Fußball zwischen Männern und Frauen herrscht. Geld spielt dabei eine enorme Rolle. Was ist darüber hinaus im Körperbau begründet?
Das Geld treibt im Männerfußball besonders irrwitzige Blüten. Das haben die dreistelligen Millionenbeträge bei den jüngsten Transfers gezeigt. Im Vergleich dazu sind die Summen, die Fußballerinnen für ihren Einsatz bekommen, nicht einmal ein Almosen. Dass dieser extreme Unterschied nicht in der Leistung begründet ist, liegt auf der Hand. Dennoch gibt es zwischen Frauen und Männern in beinahe allen Sportarten einen Leistungsunterschied auf Grund der körperlichen Konstitution.
Josef Niebauer, Vorstand des Universitätsinstituts für präventive und rehabilitative Sportmedizin in Salzburg, taxiert den körperlich bedingten Leistungsunterschied im Schnitt mit zehn Prozent. „In einigen Sportarten ist die Differenz sogar größer. Beim Weitsprung oder Hochsprung sind es 15 Prozent, bei Kraftsportarten wie Gewichtheben oder Speerwurf geht es gegen 20 Prozent, weil dabei die Größe und die Muskelkraft der Männer einen erheblichen Vorteil bieten.“
Der durchschnittliche Mann ist um zwölf Zentimeter größer als die Frau. Dadurch hat der Mann im Durchschnitt auch mehr Gewicht und mehr Masse, was ihm bei Kraftsportbewerben wie dem Kugelstoßen zugutekommt.
Der grundlegende Unterschied, der auch beim Fußball zum Tragen kommt, hängt mit dem Verhältnis von Muskeln und Fettanteil zusammen. „Männer haben bezogen auf das Körpergewicht mehr Muskulatur und weniger Fettanteil als Frauen. Die Frau muss also einen höheren Fettanteil mittragen“, sagt Niebauer. „Stellt man eine 60 Kilogramm schwere Frau neben einen 60 Kilogramm schweren Mann, ist der Mann im Vorteil, selbst wenn beide gleich gut trainiert sind.“
Trainierte Sportlerinnen haben im Schnitt einen Fettanteil von 18 Prozent, bei vergleichbaren Männern beträgt er nur rund 11 Prozent, also sieben Prozentpunkte weniger. Sind beide weniger trainiert, dann wächst der Unterschied auf zehn Prozentpunkte. Denn die durchschnittliche Frau hat einen Fettanteil von 25 Prozent, der durchschnittliche Mann 15 Prozent.
Bei der Muskulatur kommt den Männern zugute, dass ihre Muskelzellen mehr Mitochondrien aufweisen als jene von Frauen. Die Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle. Daher gilt: Mehr Mitochondrien ist gleich mehr Energie.
Einen Grund sieht Niebauer in der Evolution. „Die Männer mussten auf die Jagd und für Nahrung sorgen, daher haben sich in der Selektion die großen und starken durchgesetzt. Auch ein höherer Fettanteil wie bei Frauen wäre hinderlich gewesen. Dazu kamen hormonell aggressivere Eigenschaften, um das Tier zu erlegen.“
Dieses unterschiedliche Aggressionspotenzial ist bei der FußballEM der Frauen deutlich sichtbar geworden. Die Österreicherinnen sind ebenso wie die Fußballerinnen anderer Nationen nicht so aggressiv „an die Frau“gegangen, wie im Männerfußball „an den Mann“gegangen wird – bis hin zu schweren Verletzungen.
Mag diese weniger aggressive Gangart der Frauen im Fußball ein Nachteil sein, so können die Frauen auch Vorteile für sich verbuchen, etwa mehr Teamgeist. „Frauen sind stärker auf den Zusammenhalt bedacht als Männer. Das kann bei Teamsportarten ein Vorteil sein.“
Ein weiterer Vorteil von Frauen ist, dass ihre Bänder und Muskeln beweglicher sind als jene der Männer. Das erklärt, warum Bodenturnen, Gymnastik und Tanz Domänen der Frauen sind. Auch Synchronschwimmen gibt es nur für Frauen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der Leistungsunterschied zwischen Frauen und Männern im Skisport geringer ist. Dort könnte ihnen ihre Fähigkeit, sich rhythmischer zu bewegen, entgegenkommen – im Unterschied zum aggressiven Männersport Fußball.
Nach Ansicht von Niebauer werden sich die Unterschiede auch künftig nicht generell ausgleichen. Wohl aber punktuell. „Es gibt auch aggressive Frauen in Sportarten, in denen die Selektion über den Faktor Aggression stattfindet. Mit einer erfolgreichen Boxerin ist nicht gut Kirschen essen, die kann genauso aggressiv sein wie ein Mann.“Die Aggressivität, die vor nichts zurückschrecke und kräftig zulange, gebe es auch bei Frauen.
„Ich glaube daher, dass es auf längere Sicht mehr Selektion geben wird. Es werden sich bei den Frauen mehr und mehr Fußballerinnen zeigen, die wie die Männer an ganz bestimmte Positionen in der Aufstellung eines Teams angepasst sind. Dann kann es auch mehr Annäherung in der Leistung geben.“
An diesem Punkt wären allerdings die Verbandspolitik und die Nachwuchsförderung zugunsten der Fußballfrauen gefragt. Denn vorerst kann der Männerfußball aus einem weitaus größeren Pool an Jugendlichen schöpfen, die Fußball spielen und dafür vereinsmäßig organisiert und trainiert sind.