Seit 60 Jahren jeden Sommer auf der Alm
Zwei Almleute im Großarltal erinnern sich. Sie lachen über die Zeiten, als man sich vor Urlaubern noch gefürchtet und die Hütte zugesperrt hat.
Wanderer genießen die frühherbstlichen Sonnenstrahlen und lassen sich auf den Draugsteinalmen hoch über dem Großarltal die Kaspressknödelsuppe schmecken. An manchen Tagen sind die Wirts- und die Almleute aber allein. Kein Gast kommt herauf, denn der Winter lässt bereits grüßen. An die zehn Zentimeter Schnee sind dieser Tage schon liegen geblieben.
Alles in allem war es ein schöner Almsommer. Am 23. September wird er auf der Steinmannhütte zu Ende gehen. Für Kathi Huttegger und Sepp Huttegger ist es der 60. Almsommer. Die beiden – nur weitschichtig verwandten – Almleute aus Hüttschlag sind 80 bzw. 79 Jahre alt. Sie arbeiten noch immer fleißig, zum Beispiel beim Stallputzen oder Käsemachen. Die Gastwirtschaft führt ein junges Paar aus Bayern.
Kathi Huttegger hat Zeit ihres Lebens in der Landwirtschaft gearbeitet. Schon seit 25 Sommern ist sie auf der Hütte, früher war sie auf mehreren anderen Almen. Sie schaut auf die in der Sonne glitzernden Gipfel. „Da kannst du gar nicht genug hinschauen. Die Natur kannst du richtig gut betrachten, wenn du so ein Geschäft hast“, sagt sie. Früher war die Arbeit natürlich viel härter – alles mit der Hand und zu Fuß, von 4 Uhr früh bis in den Abend hinein. „Wir mussten den ganzen Tag beim Vieh sein, bei jedem Wetter, Schmalz und Butter tragen.“Heute sind die Almflächen eingezäunt. Wenn Sepp Huttegger mit schweren Lasten den Weg vom elterlichen Steinmannhof auf die Alm zurücklegte, war das ein Eilmarsch. „Gut zwei Stunden hab’ ich gebraucht“, erinnert er sich. Heute wird vieles maschinell erledigt, auch das Melken. Ein Dieselaggregat liefert Strom.
Ausflügler aus der Stadt gab es früher nicht, Touristen schon gar nicht. Ab und zu sei es „fast schon zu ruhig“gewesen, meinen die zwei. Als die ersten Fremden auf den Almen auftauchten, habe man sich beinahe („schiaga“) gefürchtet, erzählt Kathi Huttegger. „Ich war Hiatamadl und Sennerin auf der Hirschgrubenalm.“Plötzlich seien Berliner gekommen. Sie habe geglaubt, dass diese Menschen nicht Deutsch sprächen. „Wir haben sie nicht verstanden und sie uns auch nicht. Wir haben die Hütte zugesperrt und uns versteckt.“Die ungebetenen Besucher zogen wieder ab. Viel hätten sie ohnehin nicht bekommen. „Wir hatten nur Butterbrot und Milch.“
Im Lauf der Jahre gewöhnten sich die Einheimischen an Gäste, zum Beispiel aus Wien und den Niederlanden. Es sei immer ein gutes Auskommen mit den Urlaubern gewesen. Heutzutage ist den zwei Hutteggers manchmal fast schon zu viel los, hier heroben. Aber für den Tourismus ist das gut. Das Großarltal ist sehr erfolgreich als „Tal der Almen“. Und da diese Hütte nur zu Fuß erreichbar ist (es gibt nur eine Materialseilbahn), hält sich der Andrang in verträglichen Grenzen.
Die Almleute leben seit ihrer Geburt in Hüttschlag. „Mich hat keiner aus Hüttschlag weggebracht“, sagt die 80-Jährige. Das Tal hat sie nur selten verlassen. Die weiteste Reise? Sie denkt kurz nach und antwortet: Thalgau, Thalgauberg wohlgemerkt. Weil mehrere Hüttschlager Burschen einst als Waldarbeiter in den Flachgau gingen und einer von Kathis 13 Brüdern dort „hängen geblieben“ist und geheiratet hat.
Sechs ihrer 14 Geschwister leben noch.
„Nur“sechs Geschwister hatte Sepp Huttegger, zwei sind noch am Leben. Wenn im Frühjahr der Almauftrieb näher rückt, blüht der 79-jährige Onkel des heutigen Steinmannbauern auf und sucht sich sein Werkzeug zusammen. Er hat schon immer am Hof gearbeitet und freut sich auf den Almsommer 2018. Seine Kollegin will nächstes Jahr nicht mehr auf die Alm: „Mit 80 möchte ich mich jetzt zurückziehen.“Das hatte sie auch schon im Vorjahr im Sinn . . .