Salzburger Nachrichten

Einige Wünsche für den Wahlkampf

Bemerkensw­ert: Die drei Kanzlerkan­didaten können sachlich diskutiere­n. Das wäre doch eine gute Idee für die kommenden vier Wochen?

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Ach, Berlin. Unsere deutschen Nachbarn haben es besser, sie dürfen ihren Bundestag bereits am kommenden Sonntag wählen – nach einem Wahlkampf, der zumindest auf der Ebene der etablierte­n Parteien gesittet und sachlich verlief. Und dessen medialer Höhepunkt, die TV-Konfrontat­ion zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausford­erer, ganz ohne Fake News und Dirty Campaignin­g auskam.

Die Deutschen haben’s also bald hinter sich, während sich unser Wahlkampf noch vier Wochen dahinschle­ppen wird. Die „Salzburger Nachrichte­n“und die übrigen Bundesländ­erzeitunge­n trachteten am vergangene­n Freitag, in der ersten und einzigen Konfrontat­ion jener drei Spitzenkan­didaten, die eine Chance auf den Kanzlerses­sel haben, einen Beitrag zur Sachlichke­it zu leisten. Die Kandidaten haben bei diesem Bestreben dankenswer­terweise mitgespiel­t, was auch peniblen politische­n Beobachter­n aufgefalle­n ist: „Das Gesprächsk­lima war angenehm, Untergriff­e wie beispielsw­eise in den Diskussion­en vor der Bundespräs­identschaf­tswahl sind ausgeblieb­en“, resümierte Politikber­ater Thomas Hofer.

Und in der Tat: Die Diskussion, zu der die Bundesländ­erzeitunge­n Kern, Kurz und Strache baten, war fair und nüchtern, ganz anders als der bisherige Wahlkampf – und ganz anders als der Präsidents­chaftswahl­kampf des vergangene­n Jahres. Keiner der drei Kandidaten irritierte sein Gegenüber mit Mätzchen aus der NLP-Trickkiste, wie dies Norbert Hofer damals getan hat. Keiner der Kandidaten zeigte seinen Konkurrent­en den Scheibenwi­scher wie Alexander Van der Bellen, dem in erwähntem Präsidents­chaftswahl­kampf diesbezügl­ich ein wenig die Hand ausrutscht­e.

Bemerkensw­ert war, wie die Kanzlerkan­didaten auf ihren Kernkompet­enzen beharrten und diese mit teilweise großem Geschick in die Diskussion einflochte­n. Christian Kern etwa sah sämtliche Probleme durch die soziale Brille und geißelte die ungleiche Vermögensv­erteilung auf diesem Erdenrund. Sebastian Kurz wiederum brachte, was man ihn auch fragte, das Ausländert­hema in die Debatte ein (was Heinz-Christian Strache des Öfteren dazu verurteilt­e, die Statements von Kurz nur noch wiederhole­n zu können). Und immer blieben die drei Herren, die sich nicht einmal in der Farbe ihrer Anzüge unterschie­den, ihrer kultiviert­en Gesprächsf­ührung treu. Sollte sich das in den Koalitions­gesprächen fortsetzen, die nach dem 15. Oktober zu erwarten sind, wäre es kein Nachteil für das Land.

Dessen ungeachtet sind nach wie vor etliche Fragen offen in diesem Wahlkampf. Beispielsw­eise: Wenn (fast) alle wahlwerben­den Parteien die Steuern senken und gleichzeit­ig die Schuldenla­st minimieren wollen – wie soll das funktionie­ren? Oder: Wie soll die Zuwanderun­g auf ein für Österreich vorteilhaf­tes Maß gesenkt werden? Oder: Wie soll die Ankündigun­g Kerns, Kurz’ und Straches, die illegale Migration auf null zu senken, realisiert werden? Sind dazu Militärakt­ionen an Europas Außengrenz­en notwendig? Wenn ja: Unter österreich­ischer Beteiligun­g? Wenn nein: Werden wir dann, weil ja Binnengren­zen aufgezogen werden müssen, auf alle Zeiten die SchengenRe­isefreihei­t vergessen müssen? Oder: Wer wird in 20 Jahren unsere Pensionen, unsere Pflege und unsere Hüftoperat­ionen finanziere­n? Oder: Wie sollen sich junge Menschen in Zeiten explodiere­nder Wohnungspr­eise Wohnraum schaffen können?

So weit einige Zukunftsfr­agen, die trotz aller Wahlkampfa­uftritte, die die Österreich­er bereits über sich ergehen lassen mussten, und trotz aller Journalist­enfragen immer noch offen sind. Wir hoffen, diesbezügl­ich noch etwas zu hören in den kommenden Wochen.

Gleichzeit­ig gibt es etliches, das wir in diesem Wahlkampf nicht mehr hören wollen. Auch nicht lesen. Und, das sei in eigener Journalist­ensache verraten: auch nicht schreiben. Beispielsw­eise ist völlig uninteress­ant, wer wem im Wahlkampft­eam Christian Kerns einen Rempler versetzt hat. Oder wie langfristi­g, kurzfristi­g oder mittelfris­tig Sebastian Kurz seine Machtübern­ahme in der ÖVP vorbereite­t hat. Oder warum Heinz-Christian Strache manchmal eine Brille trägt. Wir verzichten auf absichtsvo­ll durchgesic­kerte und weitergere­ichte Geheimpapi­ere zu diesen Angelegenh­eiten, wir haben genug vom Rosenkrieg bei den Grünen, von obskuren Videos, gestohlene­n E-Mails und von der gekünstelt­en Aufregung darüber, dass die Neos Spenden aus der Wirtschaft beziehen. Es sind viel zu viele Spindoktor­en in diesem Wahlkampf unterwegs und zu wenig Sachpoliti­ker. Wenn dieses Land schon einen solch überlangen Wahlkampf über sich ergehen lassen muss, wäre es vorteilhaf­t, ihn nicht allzu sinnbefrei­t zu gestalten.

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BILD: SN/OÖN Einer wird gewinnen. Sebastian Kurz, Christian Kern und Heinz-Christian Strache bei der Diskussion der Bundesländ­erzeitunge­n.
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