Einige Wünsche für den Wahlkampf
Bemerkenswert: Die drei Kanzlerkandidaten können sachlich diskutieren. Das wäre doch eine gute Idee für die kommenden vier Wochen?
Ach, Berlin. Unsere deutschen Nachbarn haben es besser, sie dürfen ihren Bundestag bereits am kommenden Sonntag wählen – nach einem Wahlkampf, der zumindest auf der Ebene der etablierten Parteien gesittet und sachlich verlief. Und dessen medialer Höhepunkt, die TV-Konfrontation zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer, ganz ohne Fake News und Dirty Campaigning auskam.
Die Deutschen haben’s also bald hinter sich, während sich unser Wahlkampf noch vier Wochen dahinschleppen wird. Die „Salzburger Nachrichten“und die übrigen Bundesländerzeitungen trachteten am vergangenen Freitag, in der ersten und einzigen Konfrontation jener drei Spitzenkandidaten, die eine Chance auf den Kanzlersessel haben, einen Beitrag zur Sachlichkeit zu leisten. Die Kandidaten haben bei diesem Bestreben dankenswerterweise mitgespielt, was auch peniblen politischen Beobachtern aufgefallen ist: „Das Gesprächsklima war angenehm, Untergriffe wie beispielsweise in den Diskussionen vor der Bundespräsidentschaftswahl sind ausgeblieben“, resümierte Politikberater Thomas Hofer.
Und in der Tat: Die Diskussion, zu der die Bundesländerzeitungen Kern, Kurz und Strache baten, war fair und nüchtern, ganz anders als der bisherige Wahlkampf – und ganz anders als der Präsidentschaftswahlkampf des vergangenen Jahres. Keiner der drei Kandidaten irritierte sein Gegenüber mit Mätzchen aus der NLP-Trickkiste, wie dies Norbert Hofer damals getan hat. Keiner der Kandidaten zeigte seinen Konkurrenten den Scheibenwischer wie Alexander Van der Bellen, dem in erwähntem Präsidentschaftswahlkampf diesbezüglich ein wenig die Hand ausrutschte.
Bemerkenswert war, wie die Kanzlerkandidaten auf ihren Kernkompetenzen beharrten und diese mit teilweise großem Geschick in die Diskussion einflochten. Christian Kern etwa sah sämtliche Probleme durch die soziale Brille und geißelte die ungleiche Vermögensverteilung auf diesem Erdenrund. Sebastian Kurz wiederum brachte, was man ihn auch fragte, das Ausländerthema in die Debatte ein (was Heinz-Christian Strache des Öfteren dazu verurteilte, die Statements von Kurz nur noch wiederholen zu können). Und immer blieben die drei Herren, die sich nicht einmal in der Farbe ihrer Anzüge unterschieden, ihrer kultivierten Gesprächsführung treu. Sollte sich das in den Koalitionsgesprächen fortsetzen, die nach dem 15. Oktober zu erwarten sind, wäre es kein Nachteil für das Land.
Dessen ungeachtet sind nach wie vor etliche Fragen offen in diesem Wahlkampf. Beispielsweise: Wenn (fast) alle wahlwerbenden Parteien die Steuern senken und gleichzeitig die Schuldenlast minimieren wollen – wie soll das funktionieren? Oder: Wie soll die Zuwanderung auf ein für Österreich vorteilhaftes Maß gesenkt werden? Oder: Wie soll die Ankündigung Kerns, Kurz’ und Straches, die illegale Migration auf null zu senken, realisiert werden? Sind dazu Militäraktionen an Europas Außengrenzen notwendig? Wenn ja: Unter österreichischer Beteiligung? Wenn nein: Werden wir dann, weil ja Binnengrenzen aufgezogen werden müssen, auf alle Zeiten die SchengenReisefreiheit vergessen müssen? Oder: Wer wird in 20 Jahren unsere Pensionen, unsere Pflege und unsere Hüftoperationen finanzieren? Oder: Wie sollen sich junge Menschen in Zeiten explodierender Wohnungspreise Wohnraum schaffen können?
So weit einige Zukunftsfragen, die trotz aller Wahlkampfauftritte, die die Österreicher bereits über sich ergehen lassen mussten, und trotz aller Journalistenfragen immer noch offen sind. Wir hoffen, diesbezüglich noch etwas zu hören in den kommenden Wochen.
Gleichzeitig gibt es etliches, das wir in diesem Wahlkampf nicht mehr hören wollen. Auch nicht lesen. Und, das sei in eigener Journalistensache verraten: auch nicht schreiben. Beispielsweise ist völlig uninteressant, wer wem im Wahlkampfteam Christian Kerns einen Rempler versetzt hat. Oder wie langfristig, kurzfristig oder mittelfristig Sebastian Kurz seine Machtübernahme in der ÖVP vorbereitet hat. Oder warum Heinz-Christian Strache manchmal eine Brille trägt. Wir verzichten auf absichtsvoll durchgesickerte und weitergereichte Geheimpapiere zu diesen Angelegenheiten, wir haben genug vom Rosenkrieg bei den Grünen, von obskuren Videos, gestohlenen E-Mails und von der gekünstelten Aufregung darüber, dass die Neos Spenden aus der Wirtschaft beziehen. Es sind viel zu viele Spindoktoren in diesem Wahlkampf unterwegs und zu wenig Sachpolitiker. Wenn dieses Land schon einen solch überlangen Wahlkampf über sich ergehen lassen muss, wäre es vorteilhaft, ihn nicht allzu sinnbefreit zu gestalten.