Das Leben spielt alle Stücke
Im „Tatort“eroberte sie als Bibi Fellner die Herzen der Zuseher im Sturm. Privat musste Adele Neuhauser schwere Verluste verkraften. Den Lebensmut hat sie dennoch nicht verloren.
Schon als Kind stand für Adele Neuhauser fest: „Ich werde Schauspielerin.“Nun gibt die in Griechenland geborene Schauspielerin ihre Autobiografie heraus: „Ich war mein größter Feind“. Neuhauser erzählt offen über die Trennung ihrer Eltern, als sie neun Jahre alt war. Sie schreibt über den Kampf gegen sich selbst, die Selbstmordversuche in ihrer Jugend, ihre Ehe, die Trennung, über ihren Sohn und natürlich über ihre geliebte Arbeit. Sie schreibt aber auch über ihre schwersten Verluste: Ihr Vater starb im März 2015, ein Jahr darauf verlor sie ihre Mutter. Ihr Bruder Alexander erlag einen Monat später seinem Krebsleiden. Neuhauser hatte Stammzellen gespendet, um ihm zu helfen – vergeblich. SN: Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Autobiografie zu schreiben? Adele Neuhauser: Vor Jahren ist schon ein Verlag auf mich zugekommen, da hab ich mir gedacht: Warum soll ich eine Biografie schreiben? Ich fühlte mich noch nicht alt genug, um schon ein Resümee zu ziehen, und habe das einschlafen lassen. Dann, als hätten sie sich abgesprochen, sind einige Verlage auf mich zugekommen und ich habe mir gedacht: Okay. Jetzt muss ich mich offensichtlich doch damit auseinandersetzen.
Ich habe aber da nicht damit gerechnet, dass die vergangenen zwei Jahre für mich so ein „Hammer“werden würden – und hatte fast Sorge, dass ich gar kein Buch schreiben kann, weil ich so besetzt war von diesen Ereignissen. Ich wollte die Leser nicht mit Trauer, Schmerz und Tragödie bombardieren. Aber als ich angefangen habe, darüber nachzudenken, habe ich gemerkt, wie gut mir das getan hat. Das war fast eine Therapie. Es war die beste Trauerarbeit, die ich leisten konnte. Das heißt nicht, dass die Tränen schon versiegt sind, aber es hat den Blick zurück anders diktiert – und ich glaube, das war nicht zum Schlechten. SN: Sie blicken am Ende des Buches zuversichtlich in die Zukunft. So viele sind gegangen – und wer weiß, ich könnte morgen tot umfallen. Jetzt genieße ich das Leben umso mehr in vollen Zügen und denke oft an den letzten, eigenartigen Satz, den meine Mutter zu mir gesagt hat: „Und, Adele, wo ist jetzt eigentlich dein Glück?“Nicht, dass ich so extrem auf der Suche nach meinem Glück bin, aber zumindest will ich erkennen, dass es mir gut geht und dass es ein gutes Gefühl ist, da zu sein. Dass es große Freude macht, zu spielen und die Menschen zu verführen, mit mir in Geschichten zu gehen. SN: Sie schreiben offen über Ihre Selbstmordversuche in Ihrer Jugend. Was raten Sie jungen Menschen? Deswegen habe ich es auch öffentlich gemacht. Wir sind alle getrieben. Wir nennen das jetzt Burn-out und immer jüngere Menschen kommen in diese Sackgasse. Mein Rat ist: Hilfe zu suchen, einen vertrauen Menschen zu suchen, wenn möglich, nicht alleine durchzugehen. Aber auf der anderen Seite, wenn man das nicht kann: Dann in sich hineinzuhören und so ehrlich wie möglich mit sich zu sein. Und wenn man einen Funken der Freude und der Lebenslust in sich spürt, sollte man diesen Funken ergreifen und ein großes Feuer daraus machen. Auch ich habe bei mir selbst entdeckt, dass es nicht wirklich mein Wunsch war, aus dem Leben zu scheiden. Es war der Wunsch, dass andere merken, dass ich nicht alleine damit zurechtkomme. SN: Gibt es Parallelen zwischen Majorin Bibi Fellner und Adele Neuhauser? Das sind völlig verschiedene Personen, aber eine nährt die andere. Bibi Fellner hat so viele eigene wunderbare Charakterzüge, aber auch welche, die ich nicht so toll finde, aber das macht sie auch so reich. Ich mag ambivalente Figuren. Sie hat auch Humor und da begegnen wir uns. Ich sag immer: Wir schauen uns ähnlich. Natürlich nehme ich einen Charakter in mir auf und gebe ihm Platz, so viel er braucht, aber ich nähre ihn auch mit meinem Blick auf die Welt. So geben wir uns die Hand und gehen gemeinsam durch den „Tatort“. SN: Sie wurden zum Glück von der Großmutter in Ihrem Berufswunsch bestärkt? Ja, das hat gutgetan. Meine Großmutter hat mich sehr ernst genommen und mich nicht ausgelacht oder belächelt. Und wie ich es beschreibe, peu à peu, kamen Erfolgserlebnisse dazu. Das hat mich bestätigt: Ja, das ist nicht nur ein Traum. Wenn Kinder so vehement einen Wunsch äußern, sollte man sie ernst nehmen und darin bestärken. SN: Sie haben geschrieben, dass Sie das Kino lockt, gibt es eine Rolle, die Sie noch spielen wollen? Nein. Lange Zeit war das die Penthesilea (Königin der Amazonen, Anm.), aber da bin ich mittlerweile definitiv zu alt geworden. Aber ich wünsche mir solche Figuren wie die Fellner. Frauenfiguren, die Energie haben, die ehrlich und wahrhaftig sind, die Witz haben. Da könnte man noch so viele Geschichten über eben solche Frauen erzählen. Es müssen ja keine Kommissarinnen sein. Das wünsche ich mir, dass noch mehrere solche Charaktere kommen, auch auf der Leinwand. Ich liebe das Kino – die große Leinwand hat eine unglaubliche Magie.