Die Franzosen bringen sich selbst in Stellung
Mit dem neuen Präsidenten Emmanuel Macron steigt Frankreichs Selbstvertrauen – und werden Ansprüche bei der Postenvergabe in Brüssel angemeldet.
Es ist zu früh – und es ist vielleicht einer dieser Luftballons, den EU-Parlamentarier gern steigen lassen: „Lagarde als Nachfolgerin von Juncker im Gespräch“, titelte die deutsche „Welt am Sonntag“am vergangenen Sonntag. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) sei die Wunschkandidatin einflussreicher Personen in der Europäischen Volkspartei (EVP) als Nachfolgerin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der 2019 nicht mehr antritt. „Lagarde hat Charisma, Erfahrung und Durchsetzungsvermögen – sie wäre eine sehr gute Wahl“, zitiert die Zeitung aus hohen Parteikreisen. Außerdem habe die frühere französische Wirtschafts- und Finanzministerin einen engen Draht zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Egal woher die Idee kommt, ob aus Berlin, Paris oder von Lagarde selbst: Frankreich ist beim heiteren Postenraten in Brüssel wieder im Spiel. Die Lagarde-Idee mag weit hergeholt klingen. Denn der Nominierungsprozess für den EVP-Spitzenkandidaten bei der Europawahl im Mai 2019 wird zwar schon begrübelt (auch der Name von Brexit-Chefverhandler Michel Barnier soll gefallen sein), aber noch sehr vage. Es geht aber auch konkreter. Der neue französische Finanzminister Bruno Le Maire wird als möglicher neuer Vorsitzender der Eurogruppe gehandelt. Das Mandat des Eurogruppen-Chefs, des niederländischen Finanzministers Jeroen Dijsselbloem läuft im Jänner ab. Die Verlängerung ist schwierig, weil er nach der Wahlschlappe der Sozialisten in Den Haag nicht mehr in der Regierung sein wird. Le Maire ist seit seinem Amtsantritt sehr aktiv in Brüssel, derzeit etwa als Vorkämpfer für eine Umsatzsteuer für Google & Co.
Noch offener hat sich Frankreichs EU-Währungskommissar Pierre Moscovici für höhere Weihen angeboten. Die Rolle des Eurofinanzministers, auf den die Kommission drängt, sollte – in Personalunion mit dem Vorsitz der Eurogruppe – der Währungskommissar übernehmen, fordert er.
Laut „Financial Times“spitzt Paris auch auf den einflussreichen Posten des Chefs der Euroarbeitsgruppe. Den hat seit Jahren der frühere Sektionschef im österreichischen Finanzministerium, Thomas Wieser, inne, der Ende Jänner aufhört. Frankreich will Odile Renaud-Basso ins Rennen schicken, derzeit Generaldirektorin im Finanzministerium in Paris. Sie ist kein Neuling in Brüssel, weil sie stellvertretende Kabinettschefin des damaligen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy war.
Ob einer der Posten letztlich an Frankreich gehen wird, ist unsicher. Beim Gerangel um einen EVP-Spitzenkandidaten haben die französischen Konservativen keine guten Karten – nach dem miesen Ergebnis bei der letzten EU-Wahl 2014 und der Atomisierung bei der Präsidentenwahl im Mai. Möglicherweise ist die Vorstellung einer Kommissionspräsidentin Lagarde doch verfrüht.