Angela Merkel feiert einen verlustreichen Sieg
Was in Österreich längst Normalität ist, hat auch Deutschland erreicht – nur dass bei uns die Rechten schon zivilisierter sind.
Der Gewinner in Deutschland kam nicht überraschend, trotzdem sitzt der Schock tief. Die zuletzt immer offener rassistische und rechtsextreme AfD sammelte rund dreizehn Prozent der Stimmen ein und landete nach CDU/CSU und SPD auf Platz drei. Das ist beachtlich, auch wenn Spitzenkandidat Alexander Gauland den Mund etwas voll nahm, als er ankündigte, Alt- und Neukanzlerin Angela Merkel nun gnadenlos zu „jagen“.
Schon die Wortwahl zeigt das Reservoir, aus dem die deutschen Rechten schöpften. Es besteht aus Wut und Hass auf die Parteien, die Etablierten und auf die Kanzlerin, die persönlich für die Migrationswelle verantwortlich gemacht wird. Erst bei näherem Hinsehen wird dahinter die Angst der deutschen Zornprediger sichtbar: Sie fürchten, mehr denn je zu den Verlierern zu zählen, sozial und wirtschaftlich ausgebremst von Digitalisierung und Globalisierung, in ihrer deutschen Identität verloren inmitten einer Gesellschaft aus vielen Religionen und Hautfarben.
Das ist der Stoff, aus dem die Rechten nicht nur in Deutschland ihre Kraft beziehen. Auch die FPÖ in Österreich bedient diese Befürchtungen, die von den anderen Parteien viel zu lange nicht ernst genommen worden sind, und wenn, dann zu wenig. Nur hat sich die FPÖ das martialische Auftreten, wie es die AfD immer noch pflegt, abgewöhnt. Schließlich will sie sich als Regierungsbraut hübsch machen. So weit sind die deutschen Recken noch lange nicht.
Angela Merkel wird Kanzlerin bleiben – nach einem verlustreichen Sieg. 33 Prozent der Stimmen sind ein schöner Erfolg, aber um mehr als acht Prozentpunkte weniger als 2013. Der gewohnte Koalitionspartner aber könnte ihr abhandenkommen. Mit einer demokratischen Klarheit, die den österreichischen Beobachter neidvoll zurücklässt, nahmen führende SPD-Vertreter ihre historische Niederlage als Auftrag zur Opposition entgegen.
Die Grünen haben leicht zugelegt. Sie setzten mit Klima und Umwelt auf die richtigen Themen; daran konnte selbst der müde Wahlkampf nichts ändern. Und Sahra Wagenknecht, immer wieder als längst überholt verspottet, konnte mit einer konsequent linken Politik die Stellung halten. Jedenfalls aber wollten viele Deutsche die FDP in der Regierung sehen. Spitzenkandidat Christian Lindner traf mit seiner durchaus europakritischen, aber marktfreundlichen und unbekümmerten Linie ins Schwarze.
So wird Deutschland wohl Neues wagen: Merkel muss es mit Grünen und Liberalen versuchen.