Geschafft!
Für die EU endet mit Deutschland eine Serie heikler Wahlen. Brüssel kam dabei glimpflich davon.
Die Serie an Wahlen begann in Österreich
Der britische Außenminister Boris Johnson soll am Morgen des 24. Juni 2016 aus allen Wolken gefallen sein. Es war der Morgen, an dem das Ergebnis des von ihm befeuerten Referendums feststand: Großbritannien würde die Europäische Union verlassen.
Die Nachricht war nicht nur für Johnson Überraschung und Schock zugleich. In Brüssel und den meisten anderen Hauptstädten waren Politiker und Beobachter fassungsund mitunter ratlos. Dabei war Großbritannien erst der Anfang.
Das britische Referendum markiert den Beginn einer Serie von Abstimmungen, an deren Ende nun die deutsche Bundestagswahl stand. Als „Schicksalsjahr für die EU“wurde 2017 bezeichnet, weil mit den Niederlanden, Frankreich und Deutschland gleich drei bedeutende Mitgliedsländer wählten, in denen rechte und europafeindliche Stimmen immer lauter wurden.
Begonnen hat dieser Wahlreigen im Grunde noch im vergangenen Jahr mit der österreichischen Präsidentschaftswahl. Die wäre unter normalen Umständen von relativ geringem internationalen Interesse begleitet über die Bühne gegangen. Nicht so dieses Mal. Nach dem Brexit-Referendum wurden die Entwicklungen in den anderen EULändern mit Argusaugen verfolgt. Entsprechend groß war das Aufatmen, nachdem sich mit Alexander Van der Bellen der klar proeuropäische Kandidat durchsetzen konnte.
Es sollte noch bis zur französischen Präsidentschaftswahl dauern, bis es wieder ein so klares Bekenntnis zu Europa im Wahlkampf gab. Zuerst wählten die Niederländer im März dieses Jahres. In den Umfragen lag lange Zeit der rechtspopulistische Geert Wilders mit seiner „Partei für die Freiheit“vorn. Er bestimmte die Agenda des Wahlkampfs: Einwanderung und Islamisierung. Der amtierende konservative Premier ließ sich auf diese Themen ein, seine Partei rückte im Wahlkampf deutlich nach rechts.
Ein möglicher EU-Austritt der Niederlande war in diesem Wahlkampf kaum ein Thema. Zu ungewiss war zu diesem Zeitpunkt noch, wie es den Briten mit ihrer Entscheidung ergehen würde, als dass sich mit dieser Idee Kapital im Wahlkampf hätte schlagen lassen.
Wie auch im Fall von Österreich war das Interesse an der Wahl trotzdem auch in den Niederlanden ungewöhnlich hoch. Würde es ein Rechtspopulist in der EU schaffen, als Wahlsieger hervorzugehen? Auch in den Niederlanden war das nicht der Fall. Die Erleichterung, die darüber mitunter zu vernehmen war, mutete eigenartig an: Geert Wilders hatte die Wahl zwar nicht gewonnen, er wurde aber zweitstärkste Kraft im Land.
Gleich nach der Wahl wechselte der Fokus von Den Haag auf Paris: Die erste Runde der Präsidentschaftswahl stand im April ins Haus. Emmanuel Macron zog mit einem Vorsprung von nicht einmal drei Prozent vor der Rechtspopulistin Marine Le Pen in die Stichwahl ein, die er schließlich im Mai für sich entscheiden konnte. Wie Van der Bellen hatte Macron einen dezidiert proeuropäischen Wahlkampf geführt – und ihn gegen die Chefin der Rechtsextremen gewonnen.
In Deutschland hat nun wie erwartet Angela Merkel die Wahl gewonnen, wenn auch mit hohen Verlusten. Die starke und verlässliche Partnerin bleibt im Amt. Sorgen muss sich die EU aber über das starke Abschneiden der AfD machen. Auch wenn es wie bei Wilders aus Brüsseler Sicht am wesentlichsten ist, dass die Rechtspopulisten nicht in der Regierung sind.
Bis Deutschland sich wieder intensiv um seine EU-Politik kümmert, dürfte es zudem dauern. Durch die Ankündigung der SPD, in Opposition zu gehen, werden langwierige Koalitionsverhandlungen erwartet. An deren Ende wird es vermutlich eine Regierungsbeteiligung der FDP geben – und mit der dürfte vieles schwieriger werden, was EU-Partner mit deutscher Hilfe vorantreiben wollen, etwa die Reform der Eurozone.
Brüssel steht dennoch in den Startlöchern. Nachdem auch die Wahl in Deutschland geschlagen ist, muss die Arbeit weitergehen – an einer Union der 27, die sie nach dem Austritt Großbritanniens sein wird. Wie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei seiner Rede zur Lage der Union kürzlich sagte: „Uns öffnet sich jetzt ein Fenster der Möglichkeit. Aber es wird nicht ewig offen bleiben.“Die nächste heikle Wahl kommt bestimmt.