Salzburger Nachrichten

Geschafft!

Für die EU endet mit Deutschlan­d eine Serie heikler Wahlen. Brüssel kam dabei glimpflich davon.

- STEPHANIE PACK

Die Serie an Wahlen begann in Österreich

Der britische Außenminis­ter Boris Johnson soll am Morgen des 24. Juni 2016 aus allen Wolken gefallen sein. Es war der Morgen, an dem das Ergebnis des von ihm befeuerten Referendum­s feststand: Großbritan­nien würde die Europäisch­e Union verlassen.

Die Nachricht war nicht nur für Johnson Überraschu­ng und Schock zugleich. In Brüssel und den meisten anderen Hauptstädt­en waren Politiker und Beobachter fassungsun­d mitunter ratlos. Dabei war Großbritan­nien erst der Anfang.

Das britische Referendum markiert den Beginn einer Serie von Abstimmung­en, an deren Ende nun die deutsche Bundestags­wahl stand. Als „Schicksals­jahr für die EU“wurde 2017 bezeichnet, weil mit den Niederland­en, Frankreich und Deutschlan­d gleich drei bedeutende Mitgliedsl­änder wählten, in denen rechte und europafein­dliche Stimmen immer lauter wurden.

Begonnen hat dieser Wahlreigen im Grunde noch im vergangene­n Jahr mit der österreich­ischen Präsidents­chaftswahl. Die wäre unter normalen Umständen von relativ geringem internatio­nalen Interesse begleitet über die Bühne gegangen. Nicht so dieses Mal. Nach dem Brexit-Referendum wurden die Entwicklun­gen in den anderen EULändern mit Argusaugen verfolgt. Entspreche­nd groß war das Aufatmen, nachdem sich mit Alexander Van der Bellen der klar proeuropäi­sche Kandidat durchsetze­n konnte.

Es sollte noch bis zur französisc­hen Präsidents­chaftswahl dauern, bis es wieder ein so klares Bekenntnis zu Europa im Wahlkampf gab. Zuerst wählten die Niederländ­er im März dieses Jahres. In den Umfragen lag lange Zeit der rechtspopu­listische Geert Wilders mit seiner „Partei für die Freiheit“vorn. Er bestimmte die Agenda des Wahlkampfs: Einwanderu­ng und Islamisier­ung. Der amtierende konservati­ve Premier ließ sich auf diese Themen ein, seine Partei rückte im Wahlkampf deutlich nach rechts.

Ein möglicher EU-Austritt der Niederland­e war in diesem Wahlkampf kaum ein Thema. Zu ungewiss war zu diesem Zeitpunkt noch, wie es den Briten mit ihrer Entscheidu­ng ergehen würde, als dass sich mit dieser Idee Kapital im Wahlkampf hätte schlagen lassen.

Wie auch im Fall von Österreich war das Interesse an der Wahl trotzdem auch in den Niederland­en ungewöhnli­ch hoch. Würde es ein Rechtspopu­list in der EU schaffen, als Wahlsieger hervorzuge­hen? Auch in den Niederland­en war das nicht der Fall. Die Erleichter­ung, die darüber mitunter zu vernehmen war, mutete eigenartig an: Geert Wilders hatte die Wahl zwar nicht gewonnen, er wurde aber zweitstärk­ste Kraft im Land.

Gleich nach der Wahl wechselte der Fokus von Den Haag auf Paris: Die erste Runde der Präsidents­chaftswahl stand im April ins Haus. Emmanuel Macron zog mit einem Vorsprung von nicht einmal drei Prozent vor der Rechtspopu­listin Marine Le Pen in die Stichwahl ein, die er schließlic­h im Mai für sich entscheide­n konnte. Wie Van der Bellen hatte Macron einen dezidiert proeuropäi­schen Wahlkampf geführt – und ihn gegen die Chefin der Rechtsextr­emen gewonnen.

In Deutschlan­d hat nun wie erwartet Angela Merkel die Wahl gewonnen, wenn auch mit hohen Verlusten. Die starke und verlässlic­he Partnerin bleibt im Amt. Sorgen muss sich die EU aber über das starke Abschneide­n der AfD machen. Auch wenn es wie bei Wilders aus Brüsseler Sicht am wesentlich­sten ist, dass die Rechtspopu­listen nicht in der Regierung sind.

Bis Deutschlan­d sich wieder intensiv um seine EU-Politik kümmert, dürfte es zudem dauern. Durch die Ankündigun­g der SPD, in Opposition zu gehen, werden langwierig­e Koalitions­verhandlun­gen erwartet. An deren Ende wird es vermutlich eine Regierungs­beteiligun­g der FDP geben – und mit der dürfte vieles schwierige­r werden, was EU-Partner mit deutscher Hilfe vorantreib­en wollen, etwa die Reform der Eurozone.

Brüssel steht dennoch in den Startlöche­rn. Nachdem auch die Wahl in Deutschlan­d geschlagen ist, muss die Arbeit weitergehe­n – an einer Union der 27, die sie nach dem Austritt Großbritan­niens sein wird. Wie Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker bei seiner Rede zur Lage der Union kürzlich sagte: „Uns öffnet sich jetzt ein Fenster der Möglichkei­t. Aber es wird nicht ewig offen bleiben.“Die nächste heikle Wahl kommt bestimmt.

 ?? BILD: SN/AP ?? Keine bösen Überraschu­ngen für die Herren Präsidente­n in Brüssel: Donald Tusk (Europäisch­er Rat) und Jean-Claude Juncker (Europäisch­e Kommission) haben das Superwahlj­ahr glimpflich überstande­n.
BILD: SN/AP Keine bösen Überraschu­ngen für die Herren Präsidente­n in Brüssel: Donald Tusk (Europäisch­er Rat) und Jean-Claude Juncker (Europäisch­e Kommission) haben das Superwahlj­ahr glimpflich überstande­n.

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