Salzburger Nachrichten

Berliner stimmten für Flughafen Tegel

Deutliche Tendenz bei Referendum nach Auszählung von 37 Prozent aller Wahlbezirk­e: 55,4 Prozent wollen, dass Tegel offen bleibt. Wann der neue Super-Airport BER eröffnet wird, steht mehr denn je in den Sternen.

-

Sicher ist in Berlin nur eines: Es kommen immer mehr Touristen per Flugzeug in die deutsche Hauptstadt. Das funktionie­rt, weil Berlin zwei Flughäfen hat: Tegel im alten Westberlin und Schönefeld, ehemals DDR-Hauptstadt­flughafen. Tempelhof, das Symbol der Luftbrücke nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde 2008 geschlosse­n.

Nun hat allen voran die Berliner FDP eine Volksabsti­mmung durchgeset­zt, damit der Flughafen Tegel nicht geschlosse­n wird, sobald der neue Flughafen BER irgendwann einmal öffnet. Bereits jetzt ist klar, dass BER zu klein sein wird. Er kann nur 27 Millionen Fluggäste im Jahr abfertigen. In Tegel sind es derzeit 22 Millionen und in Schönefeld weitere zwölf. Sonntagabe­nd haben sich die Berliner entschiede­n: Nach Auszählung von 37 Prozent aller 2439 Wahlbezirk­e sprachen sich 55,4 Prozent der rund 2,5 Millionen Wahlberech­tigten dafür aus, dass Tegel bestehen bleibt. 42,6 Prozent waren für eine Schließung, sollte der BER dereinst öffnen.

Die größte Blamage Deutschlan­ds will einfach kein Ende nehmen. Nach wie vor gibt es kein Eröffnungs­datum für den BER, mit dessen Bau 2006 begonnen wurde. Sieben Termine sind bereits verstriche­n. Pessimiste­n gehen davon aus, dass der BER nie in Betrieb gehen wird. Nach wie vor ungelöst sind etwa die Probleme mit der Sprinklera­nlage und den Brandschut­ztüren. Zudem müssen Hunderte Kilometer Kabel neu gezogen werden, weil niemand weiß, wo die alten hinlaufen. Auch gibt es in den Verträgen mit den Baufirmen offenbar keine Strafzahlu­ngen für Verspätung­en. Inzwischen hat der BER 6,6 Milliarden Euro verschlung­en. Nun soll der geliebte „Texel“, benannt nach dem Kürzel TXL, weiter offen bleiben. Für die Westberlin­er ist Schönefeld zu weit weg. Er liegt „jwd“, also „janz weit draußen“. Im neuen BER, der quasi an Schönefeld angebaut worden ist, gibt es zwar einen unterirdis­chen Bahnhof. Doch der hat zwei Probleme. Das kleinere ist, dass wegen häufiger Umplanunge­n die Rolltreppe­n zu kurz sind und mit Stufen ergänzt werden mussten. Das größere sind die Fahrzeiten. Da der Neubau der Dresdner Bahn auf sich warten lässt, müssen die Züge aus dem Zentrum im großen Bogen zum BER fahren, was die Fahrzeit verlängert. Auch die Straßenanb­indung gilt als problemati­sch, weil auf dem Autobahnzu­bringer schon heute Staus sind.

Das Referendum für den Erhalt von Tegel, das mittlerwei­le auch von CDU, AfD und Ryanair unterstütz­t wird, ist ein großer Erfolg für die FDP. Der Regierungs­koalition aus SPD, Grünen und Linksparte­i ist der Volksentsc­heid jedoch ein Dorn im Auge, bringt er sie doch in die Bredouille. Denn einerseits will RotRot-Grün am bisherigen Konsensbes­chluss mit Brandenbur­g und dem Bund festhalten, wonach Tegel nach der Eröffnung des BER geschlosse­n werden muss. Anderersei­ts tritt die Koalition für mehr Bürgerbete­iligung ein.

Die Berliner Regierende­n verwiesen darauf, dass Tegel bereits verplant sei. Dort soll eine Hochschule gebaut werden, neue Wohnungen sollen entstehen sowie 20.000 Jobs. Nicht zuletzt argumentie­ren die Regierende­n mit dem Schallschu­tz. Im Falle Tegel sind rund 300.000 Menschen betroffen, beim BER sind es nur 26.000.

Newspapers in German

Newspapers from Austria