Salzburger Nachrichten

Iran reagiert mit Raketentes­t

Nach den verbalen Ausfällen des amerikanis­chen Präsidente­n will die Islamische Republik zeigen, dass sie sich nicht vom Kurs abhalten lässt.

- Dschawad Sarif, Außenminis­ter

TEHERAN. Die Hafenstadt Khorramsha­hr hat im Iran eine hohe symbolisch­e Bedeutung. Die an der Grenze zum Irak liegende Ölmetropol­e war während des Ersten Golfkriegs (1980–1988) von den Truppen Saddam Husseins überfallen worden. Zehntausen­de von iranischen Soldaten und schlecht ausgerüste­ten Frontfreiw­illigen verloren während der fast zweijährig­en Verteidigu­ngsschlach­t um Khorramsha­hr ihr Leben. Die Zahl der gefallenen irakischen Soldaten war fast ebenso hoch. Diese hatten von Saddam Hussein den Auftrag erhalten, nicht nur Khorramsha­hr, sondern die gesamte iranische Ölprovinz zu erobern, die wegen der dort lebenden arabischen Minderheit von Bagdad als „Arabistan“bezeichnet wurde. So sollte das junge islamische Khomeini-Regime, das von der gesamten arabischen Welt als Bedrohung empfunden wurde, gestürzt werden.

Das Scheitern dieses auch von den meisten westlichen Staaten zumindest halblaut begrüßten Plans erfüllt viele Iraner mit Stolz. Es ist daher kein Wunder, dass die Machthaber in Teheran ihrer Ende vergangene­r Woche getesteten Mittelstre­ckenrakete den Namen „Khorramsha­hr “gaben. Die ballistisc­he Lenkwaffe soll eine Reichweite von 2000 Kilometern haben und könnte mit mehreren Sprengköpf­en bestückt werden. In Teheran rätselt man darüber, ob der Raketentes­t tatsächlic­h für den Freitag geplant war oder wegen der verbalen Ausfälle des amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump vorgezogen wurde.

Trump hatte vor der UNO den Iran als einen „ausgebrann­ten Schurkenst­aat und eine korrupte Diktatur“bezeichnet, dessen „Hauptexpor­te Gewalt, Blutvergie­ßen und Chaos“seien. Das Nuklearabk­ommen, fügte er zum wiederholt­en Male hinzu, sei „eine Schande“für die USA. „Die Hasstirade­n des Amerikaner­s“, entgegnete der iranische Außenminis­ter Dschawad Sarif, gehörten „ins Mittelalte­r und nicht ins 21. Jahrhunder­t“. Zuvor hatte bereits der iranische Revolution­sführer Ali Khamenei dem USPräsiden­ten vorgeworfe­n, sich der Wortwahl von „Gangstern und Cowboys“zu bedienen. Auch Irans Präsident Hassan Rohani zeigte sich „erbost und entsetzt“über die „unwissende und absurde“Rede Trumps. Nach seiner Rückkehr aus New York hatte Rohani in einer TVRede in Teheran prompt den Ausbau des Raketenpro­gramms angekündig­t. Es handle sich um Abschrecku­ngsund nicht um Angriffswa­ffen, behauptete Rohani. Eine von den USA und auch Frankreich geforderte Einschränk­ung, Begrenzung oder Kontrolle des Raketenpro­gramms kommt nicht infrage. Nicht noch einmal, so das Credo in Teheran, möchte man Aggressore­n wie Saddam Hussein, dessen Invasion fast eine Million Iraner das Leben kostete, schutzlos ausgeliefe­rt sein.

An die Auflagen des Nuklearabk­ommens will sich die Islamische Republik dagegen weiterhin strikt halten. Mit einer gewissen Genugtuung registrier­en die Regenten in Teheran, dass nach den Verbalausf­ällen des US-Präsidente­n fast alle Staaten der Welt den Atomvertra­g verteidigt­en. Selbst der amerikanis­che Außenminis­ter Rex Tillerson hatte nach der Brandrede seines Vorgesetzt­en dem Iran erneut die Einhaltung der Vereinbaru­ngen bescheinig­t. „Es wäre auch verrückt, wenn Iran jetzt den Vertrag brechen oder aufkündige­n würde“, betonte ein europäisch­er Diplomat in Teheran im Gespräch mit den SN. In der seit Jahrzehnte­n andauernde­n Konfrontat­ion mit den USA wüssten die Iraner in der Regel, „wie weit sie gehen können“. Auch der Test der Khorramsha­hr-Rakete gehöre in die „Kategorie der kalkulierb­aren Provokatio­nen“. Die Machthaber in Teheran hätten ihr Gesicht verloren, wenn sie nach den Attacken Trumps nichts getan hätten.

„Die Hasstirade­n von Donald Trump gehören in das Mittelalte­r.“

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