Auch ich rede wenig mit Frauen – kein Ruhmesblatt
Es ist einfach, über Sexisten in der Wissenschaft oder im TV zu schimpfen. Doch ein wenig Selbstreflexion schadet nicht.
In den USA ist eine Diskussion über Sexismus in den Wirtschaftswissenschaften entbrannt. Hintergrund ist eine Analyse der Website Economic Job Market Rumors, eines Onlineforums für Ökonomen. Die Ergebnisse sind erschütternd: Ging es in den Debatten um Frauen, fielen am häufigsten Wörter wie „Lesbe“, „Baby“oder „Titten“, im Zusammenhang mit Männern waren es Wörter wie „Berater“, „Mathematiker“oder „Preisbildung“. Sicher sind Onlineforen, selbst solche für Wirtschaftswissenschafter, nicht mit der wissenschaftlichen Disziplin gleichzusetzen. Hier zeigt sich vielmehr ein generelles Problem von Onlineforen, in denen Menschen geschützt durch Anonymität gern die dunklen Seiten ihres Ichs offen zeigen. Und da unterscheiden sich die Foren der akademischen Wirtschaftswissenschafter offensichtlich nicht von Allerweltsforen.
Aber die Ergebnisse dieser US-Onlineerhebung sind dazu angetan, kritisch hinzuschauen und das eigene Tun zu hinterfragen. „Standard“-Kollege Andreas Sator hat dies gemacht und ist, wie er schreibt, zu seiner eigenen Überraschung draufgekommen, dass er hauptsächlich Männer für seine Wirtschaftsgeschichten interviewt. Überrascht muss man nicht sein. Der öffentlich-rechtliche ORF brachte es vor einer Woche in der Sendung „Im Zentrum“zum Thema „Wie geht es der österreichischen Wirtschaft“zustande, in der Runde keine einzige Frau zu haben. Etwas, das im deutschen Fernsehen mittlerweile undenkbar ist.
Bei all dieser Selbstkritik eines Kollegen und der Kritik an anderen fühlt man sich auch als Wirtschaftsjournalistin schnell unwohl bei dem Thema, sobald man das eigene Tun hinterfragt. Wie oft reden wir Journalistinnen mit Männern zu wichtigen Themen? Oft, zu oft, meistens. Nicht, dass es keine Frauen als Alternativen gäbe, aber sie fallen einem in der Hektik des Alltags oft nicht so schnell ein. Dies ist nichts anderes als die Umschreibung dafür, dass Mehrarbeit vermieden wird. Das sind keine bewussten Entscheidungen, aber wenn jene, die in den Wirtschafts-Forschungsinstituten, an den Wirtschaftsuniversitäten und in der Wirtschaft allgemein das Sagen haben, meist Männer sind, ist es nachvollziehbar, wenn sie als Gesprächspartner eher gesucht oder besser gesagt eher gefunden werden. Allein meine Männer-Frauen-Bilanz in der Berichterstattung der vergangenen Tage ist kein Ruhmesblatt für eine Feministin. Unter sechs größeren Wirtschaftsgeschichten fand sich ein Interview mit einer Frau, und in einem weiteren Artikel kam eine Frau vor. Da reißt einen auch eine FrauenKolumne nicht mehr heraus. Ohne die tollen Frauen sichtbar zu machen, wird sich nichts ändern. Für diese Änderung gibt es zumindest Anzeichen: Mercedes-Chef Dieter Zetsche hat sich gerade mit Facebook-Managerin Sheryl Sandberg auf eine Bühne gesetzt, um, wie er meinte, von ihr zu lernen.
Ein Sexismusproblem liegt sicher in einer herabwürdigenden Sprache, aber wichtiger sind Zahlen. Wenn nur zwei Prozent der TopÖkonomen in Österreich Frauen sind, wird ersichtlich, wo der Kern des Problems liegt.