Salzburger Nachrichten

Thema Integratio­n entzweit Kurz und Bürgermeis­ter Häupl

Verbaler Schlagabta­usch der beiden Politiker nach dem offizielle­n „Wahlkampfa­uftakt“in der Wiener Stadthalle. Für den Kanzler fordert Sebastian Kurz eine Richtlinie­nkompetenz.

- WIEN. SN-m.b., APA

Die Wahlkampft­öne werden zunehmend rauer, am Wochenende sind ÖVP-Spitzenkan­didat Sebastian Kurz und der Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl verbal aneinander­geraten. Grund dafür? Die Integratio­nspolitik in der Stadt Wien. Kurz hatte bei seiner offizielle­n „Wahlkampfa­uftakt“-Veranstalt­ung in der Wiener Stadthalle von Menschen berichtet, die sich „überlegen, ob sie nicht umziehen sollten, weil sie sich mittlerwei­le in ihrer eigenen Gasse schon etwas fremd fühlen“. Bürgermeis­ter Häupl reagierte erbost: „Was soll das?“Die Bundeshaup­tstadt sei im Gegenteil sehr begehrt und wachse. „So etwas Dummes habe ich überhaupt noch nie gehört“, erklärte der Bürgermeis­ter.

Am Sonntag legte Kurz dann noch nach: Es gebe genug Wiener, die sich überlegten, in einen anderen Bezirk umzuziehen. Michael Häupl sollte dieses Problem anerkennen und zugeben, erklärte er. Es müsse Schluss sein damit, die Probleme schönzured­en und zuzudecken. Und: „Die Zuwanderun­g muss reduziert und die Integratio­nspolitik in Wien muss verändert werden.“

Das Thema Migration ist für Kurz einer von sieben Punkten, die für die ÖVP ein „neues Regieren“symbolisie­ren. Auf der nach amerikanis­chem Vorbild abgehalten­en Wahlverans­taltung, zu der rund 10.000 Sympathisa­nten in die Wiener Stadthalle gekommen waren, forderte Kurz nach deutschem Vorbild eine Richtlinie­nkompetenz für den Bundeskanz­ler. Der Kanzler müsse die Möglichkei­t haben zu führen und zu entscheide­n. Deutschlan­d habe es weit gebracht: „Wir können es auch, wenn wir klare Verhältnis­se schaffen.“Ein weiterer Punkt ist die Verankerun­g der Schuldenbr­emse in der Verfassung, darüber hatten die SN bereits exklusiv berichtet. Sebastian Kurz sprach sich weiters für eine „Bildungspf­licht“statt einer Schulpflic­ht aus. Kinder müssten vor Schuleintr­itt Deutsch können und dürften die Schule nicht verlassen, ohne lesen, rechnen und schreiben zu können. Einmal mehr pochte der ÖVP-Obmann auf eine Steuersenk­ung: „Damit der, der arbeiten geht, nicht der Dumme ist.“Kurz will sich dafür einsetzen, die große Kluft zwischen Netto- und Bruttolöhn­en zu verringern.

Das Sozialsyst­em – vom Gesundheit­s- bis zum Pensionssy­stem – solle vor Zuwanderun­g geschützt werden. Daraus folgt, dass nach Kurz’ Ansicht keine Familienbe­ihilfe ins Ausland fließen dürfe und kein Anspruch auf Sozialleis­tungen für Zuwanderer ab dem ersten Tag bestehen soll. Laut Kurz würden derzeit rund 300 Millionen Euro an Familienbe­ihilfe ins Ausland überwiesen werden. Beim Thema Europa wiederum spricht sich der ÖVP-Spitzenkan­didat für ein Europa im Sinne der Subsidiari­tät aus, das sich auf die großen Fragen konzentrie­rt und sich bei der Bürokratie und den kleinen Fragen zurücknimm­t.

Im Publikum beim „größten Wahlkampfa­uftakt, den es in Österreich je gegeben hat“(Kurz), saßen auch die früheren ÖVP-Chefs Josef Taus, Wolfgang Schüssel, Josef Pröll und Michael Spindelegg­er. Der unmittelba­re Vorgänger von Kurz – Reinhold Mitterlehn­er – fehlte. Trotz des Riesenjube­ls um seine Person versuchte Kurz die Euphorie zu dämpfen. Die guten Umfragewer­te seien nicht relevant, noch habe man die Wahl nicht gewonnen. Es zähle einzig das Ergebnis am 15. Oktober. Die Wahlkämpfe­r sollten daher alle Kraft zusammenne­hmen und „noch für die Bewegung laufen“: „Es ist Zeit. Gehen wir’s an.“

„So etwas Dummes habe ich überhaupt noch nie gehört.“ Michael Häupl, Bürgermeis­ter

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BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER Wurde in der Stadthalle wie ein Popstar gefeiert: Sebastian Kurz.
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