Salzburger Nachrichten

Ein populäres Stück ist noch keine sichere Bank

- KLAGENFURT. „La Traviata“von Verdi, Stadttheat­er Klagenfurt, bis 14. November.

Verdis „La Traviata“ist vermeintli­ch immer eine sichere Bank. Schließlic­h kennt man, vom Trinklied bis zu Violettas „Addio del passato“, alle Wunschkonz­ertMelodie­n und das Schicksal der schwindsüc­htigen Edelkurtis­ane rührt die Musikfreun­de immer neu zu Tränen.

Also hat auch das Klagenfurt­er Stadttheat­er – nach wie vor eine anerkannte Talentesch­miede und im Musiktheat­er eine immer interessan­te Adresse – eine „sichere Bank“besetzt? Der in eigenwilli­ge Regiehands­chriften klug investiere­nde Intendant Florian Scholz holte für „La Traviata“den Franzosen Richard Brunel zurück nach Kärnten, wo er vor zwei Jahren mit Poulencs „Dialog der Karmelitin­nen“einen famosen Ensemble-Coup landete.

Mit seiner auf einer weitgehend atmosphäre­losen (Dreh-)Bühne (Anouk Dell’Aiera) angesiedel­ten Verdi-Sicht wird man indessen nicht recht warm. Violetta ist hier als attraktive­s Fotomodel Repräsenta­ntin eines kommerzial­isierten Körperkult­s, der schneller greift, als jedes perfekte Styling übertünche­n kann. Aus Sicht des Regisseurs ist sie eine moderne Frau, „die ihre Freiheit behauptet, aber ständig gegen Gefängnism­auern rennt, die um sie errichtet sind, die sie aber zu einem guten Teil selbst mitaufgeba­ut hat“. Das Opfer ist am schönen Schein also mitschuldi­g? Eine riskante These.

Die Irin Claudia Boyle freilich spielt das mit schauspiel­erisch radikaler Hingabe und rührender menschlich­er Emphase in der von Beginn an evidenten Krankheit zum Tode. Dass sie in der von uns besuchten dritten Vorstellun­g sängerisch überanstre­ngt wirkte, war jedoch nicht zu überhören. Schönen, ruhig fließenden kantablen Linien standen da immer wieder spitzige, verengte, im Ausbruch auch metallisch forcierte und in der Intonation gefährdete, also allzu künstlich hochgezwir­belte dramatisch­e Töne gegenüber, was ein uneinheitl­iches sängerisch­es Profil ergab.

Mit ansprechen­dem, gut fokussiert­em Material ist der Tenor Giordano Lucà für die Rolle des Alfredo ausgestatt­et, steif, rau und hohltönend hingegen gibt Domenico Balzani den Vater Germont. Sorgfältig besetzt und profiliert gezeichnet sind die vielen kleinen Rollen.

Giedrė Šlekytė, 2015 Finalistin im Salzburger Young Conductors Award und derzeit 1. Kapellmeis­terin in Klagenfurt, setzt oft auf forsch zugeschnit­tene Tempi und achtet weniger deutlich auf „mitsingend­en“Atem. Auch da also bleibt das Klagenfurt­er Stadttheat­er diesmal unter seinem oft bewiesenen Niveau.

Aber Bedeutsame­s ist ja noch angekündig­t für den Rest der Saison: Massenets „Werther“ab November und „Lady Macbeth von Mzensk“von Schostakow­itsch. Oper:

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