Ein populäres Stück ist noch keine sichere Bank
Verdis „La Traviata“ist vermeintlich immer eine sichere Bank. Schließlich kennt man, vom Trinklied bis zu Violettas „Addio del passato“, alle WunschkonzertMelodien und das Schicksal der schwindsüchtigen Edelkurtisane rührt die Musikfreunde immer neu zu Tränen.
Also hat auch das Klagenfurter Stadttheater – nach wie vor eine anerkannte Talenteschmiede und im Musiktheater eine immer interessante Adresse – eine „sichere Bank“besetzt? Der in eigenwillige Regiehandschriften klug investierende Intendant Florian Scholz holte für „La Traviata“den Franzosen Richard Brunel zurück nach Kärnten, wo er vor zwei Jahren mit Poulencs „Dialog der Karmelitinnen“einen famosen Ensemble-Coup landete.
Mit seiner auf einer weitgehend atmosphärelosen (Dreh-)Bühne (Anouk Dell’Aiera) angesiedelten Verdi-Sicht wird man indessen nicht recht warm. Violetta ist hier als attraktives Fotomodel Repräsentantin eines kommerzialisierten Körperkults, der schneller greift, als jedes perfekte Styling übertünchen kann. Aus Sicht des Regisseurs ist sie eine moderne Frau, „die ihre Freiheit behauptet, aber ständig gegen Gefängnismauern rennt, die um sie errichtet sind, die sie aber zu einem guten Teil selbst mitaufgebaut hat“. Das Opfer ist am schönen Schein also mitschuldig? Eine riskante These.
Die Irin Claudia Boyle freilich spielt das mit schauspielerisch radikaler Hingabe und rührender menschlicher Emphase in der von Beginn an evidenten Krankheit zum Tode. Dass sie in der von uns besuchten dritten Vorstellung sängerisch überanstrengt wirkte, war jedoch nicht zu überhören. Schönen, ruhig fließenden kantablen Linien standen da immer wieder spitzige, verengte, im Ausbruch auch metallisch forcierte und in der Intonation gefährdete, also allzu künstlich hochgezwirbelte dramatische Töne gegenüber, was ein uneinheitliches sängerisches Profil ergab.
Mit ansprechendem, gut fokussiertem Material ist der Tenor Giordano Lucà für die Rolle des Alfredo ausgestattet, steif, rau und hohltönend hingegen gibt Domenico Balzani den Vater Germont. Sorgfältig besetzt und profiliert gezeichnet sind die vielen kleinen Rollen.
Giedrė Šlekytė, 2015 Finalistin im Salzburger Young Conductors Award und derzeit 1. Kapellmeisterin in Klagenfurt, setzt oft auf forsch zugeschnittene Tempi und achtet weniger deutlich auf „mitsingenden“Atem. Auch da also bleibt das Klagenfurter Stadttheater diesmal unter seinem oft bewiesenen Niveau.
Aber Bedeutsames ist ja noch angekündigt für den Rest der Saison: Massenets „Werther“ab November und „Lady Macbeth von Mzensk“von Schostakowitsch. Oper: