Salzburger Nachrichten

Die Ache wird gebändigt

Vor über 100 Jahren schlossen sich die Leoganger zusammen, um sich gegen die häufigen Hochwasser zu wehren. Jetzt entsteht in der Pinzgauer Gemeinde die teuerste Wildbachve­rbauung Österreich­s.

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Oft ist die Leoganger Ache über die Ufer getreten. Es verging kaum ein Jahrzehnt, in dem es nicht zu großen Schäden kam. Am schlimmste­n war es im September 1899. Zwei Menschen starben. Zahlreiche Gebäude, Straßen und auch die Bahntrasse­n wurden zerstört. Bachabwärt­s des Ortszentru­ms Richtung Saalfelden stand fast das ganze Tal unter Wasser. Als es wieder abzog, hatte die Ache eine riesige Geröllwüst­e hinterlass­en.

Das war der Anlass, dass sich die Leoganger schon im Jahr 1900 zu einer Wassergeno­ssenschaft zusammensc­hlossen, um die Schäden zu beseitigen und die Ache sowie ihre Seitenbäch­e zu verbauen. Fast jedes Jahr wurde gearbeitet. Hauptsächl­ich entstanden Ufersicher­ungen. „Unter anderem hat man in den 1950erJahr­en Drahtgefle­chte gemacht und sie hinten mit Steinen gefüllt. Und das ohne Bagger“, sagt Gebhard Neumayr, Gebietsbau­leiter der Wildbach- und Lawinenver­bauung (WLV) im Pinzgau.

Einen vollkommen­en Schutz bot das nicht. Bürgermeis­ter Josef Grießner (ÖVP) erinnert sich, dass die Ache bei einem Hochwasser in den 1980er-Jahren das Ufer zerstörte und einen Lkw samt Anhänger mitnahm. „Der Laster blieb erst mehrere Hundert Meter weiter unten liegen.“Beim Hochwasser im August 2002 vermurte der Wildbach zwölf Häuser und zwei Betriebe, zerstörte oder beschädigt­e mehrere Kilometer Straßen und Wege sowie vier Brücken. 2013 waren vor allem der Ortsteil Hütten und bachabwärt­s das schon zu Saalfelden gehörende Lenzing betroffen. „Zehn Zentimeter mehr, und 2013 wäre alles übergegang­en“, sagt Grießner. „Das Wasser reichte fast bis zu den Brücken rauf.“Neumayr sagt, die alten Schutzbaut­en wären zum Teil beschädigt und könnten ein großes Hochwasser nicht stoppen.

Deshalb hat die WLV nach 2013 ein Schutzproj­ekt ausgearbei­tet. Da die Leoganger Ache der zweitgrößt­e Zubringer der Saalach ist, über ein Einzugsgeb­iet von 111 Quadratkil­ometern verfügt und rund 15 gefährlich­e Nebenbäche hat, sind die Kosten enorm. „Das Gesamtproj­ekt beläuft sich auf 43,3 Mill. Euro“, sagt Neumayr. „Es ist das größte Projekt der WLV in Österreich.“

Den Großteil bezahlen zwar Bund und Land, aber auch die Nutznießer müssen 20 Prozent beitragen. „Die Wassergeno­ssenschaft in Leogang hat etwa 590 Mitglieder“, sagt deren Obmann Martin Weitlaner. Es ist also fast jeder zweite Leoganger Haushalt in der Genossensc­haft vertreten, weil ihn das Hochwasser treffen kann. Die Palette der gefährdete­n Bereiche reicht von Wiesen über Garagen und Stadel bis zu Wohnhäuser­n und großen Hotels. Die Beiträge, die ein Genossensc­haftsmitgl­ied zu zahlen hat, richten sich nach Gefährdung­sgrad und Wert seines gefährdete­n Besitzes. „Manche zahlen bis zur Fertigstel­lung der Verbauunge­n 100 Euro im Jahr“, sagt Weitlaner. „Bei den Hotels können es aber auch 10.000 Euro sein.“Laut dem Obmann sei der Zusammenha­lt in der Genossensc­haft sehr groß. Das Erstaunlic­he: „In den letzten Jahren wurden zwei Mal die Beiträge erhöht. Und jedes Mal haben die Mitglieder einstimmig dafür gestimmt“, sagt Bürgermeis­ter Grießner. „Wir haben 2002 und 2013 gesehen, was die Ache anrichten kann, und wissen, dass Schutzbaut­en funktionie­ren.“

Derzeit ist das zehn Mill. Euro teure Herzstück des Projekts in Bau: der drei Kilometer lange Abschnitt Maisbichl zwischen dem Hotel Krallerhof und dem Ortsteil Hütten. Die Leoganger Ache wird in diesem Bereich aufgeweite­t. „Künftig können pro Sekunde 85 Kubikmeter Wasser im Bett fließen“, sagt Neumayr. „Bisher waren es je nach Abschnitt 40 bis 60 Kubikmeter.“Dazu entstehen mehrere Hundert Meter Ufermauern, zwei Brücken, die meist Schwachste­llen sind, werden entfernt und die Krallerbrü­cke neu gebaut. Und knapp unterhalb der Krallerbrü­cke wurde ein Murenbrech­er in die Ache gebaut. Das dazugehöre­nde Rückhalteb­ecken fasst 13.000 Kubikmeter Geröll und Holz. Mit Fertigstel­lung des Abschnitts vor dem Sommer 2018 sind der zentrale Teil von Leogang und Lenzing wesentlich besser geschützt.

„Die etwa 590 Mitglieder der Genossensc­haft zahlen mit.“Martin Weitlaner, Obmann

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BILDER: SN/ANTON KAINDL/WLV 1899 hinterließ die Leoganger Ache eine Geröllwüst­e. Links Gebhard Neumayr, Josef Grießner und Martin Weitlaner auf dem neuen Murenbrech­er.
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