Salzburger Nachrichten

Wahlkämpfe mit Schmutzspu­r

„Dirty Campaignin­g“hat in Österreich Tradition. Wie Politiker von Franz Schausberg­er bis Wolfgang Schüssel am eigenen Leibe erfahren mussten.

- Per, schli, a. k.

„Unmoralisc­h“und „unglaublic­h blöd“: So bezeichnet­e am Dienstag SPÖ-Vorsitzend­er Christian Kern den Umstand, dass der Wahlkampf – wie sich am Wochenende herausgest­ellt hatte – mit gefälschte­n Facebook-Seiten geführt wurde. Die via „News“erteilte Absolution durch den umstritten­en Berater Tal Silberstei­n (Kern habe von den gefälschte­n Seiten nichts gewusst) reicht dem Kanzler nicht. Er erstattete am Dienstag Anzeige.

Der SPÖ-Chef sprach am Dienstag auch von „strukturie­rtem Absaugen von Daten“. Nicht nur die bisher bekannten Mails und Dokumente, sondern auch andere SPÖInterna hätten durch ein Datenleck den innersten Kreis der Kampagne verlassen. Jede interne Umfrage, jeder Werbesloga­n und jede Rede des Kanzlers sei unmittelba­r nach Fertigstel­lung und noch vor der Veröffentl­ichung durch die SPÖ beim politische­n Mitbewerbe­r gelandet.

In der SPÖ war zu erfahren, es gebe massive Verdachtsm­omente gegen eine Dolmetsche­rin, die für Tal Silberstei­n alles – von Mails über Chats bis Live-Fokusgrupp­en – auf Englisch übersetzt habe. Sie sei die Einzige, die sämtliche in den letzten Wochen zum Nachteil der SPÖ veröffentl­ichten Mails erhalten habe. Das später Medien zugespielt­e Papier, das Kern als „Prinzessin“mit Glaskinn beschrieb, hätten nur drei Personen erhalten.

Das Verbreiten von Gerüchten zu Wahlkampfz­wecken hat Tradition. „Die Geschichte des modernen Dirty Campaignin­g in Österreich ist mindestens 13 Jahre alt“, sagt der frühere Landeshaup­tmann von Salzburg, Franz Schausberg­er, im SN-Gespräch. Ihm war im Landtagswa­hlkampf 2004 auf Plakaten und Flugzettel­n unterstell­t worden, seine Frau schlecht zu behandeln. Beweise gab es nie. Schausberg­er verlor die Wahl. Die Urheber der Verleumdun­g konnten von der Polizei nicht ausgeforsc­ht werden. Schausberg­er vermutet sie auch heute noch im Umfeld des politische­n Gegners. Der sei damals in Österreich vom amerikanis­chen Werbeguru Stanley Greenberg beraten worden. In dessen Team: Tal Silberstei­n.

„Diese Story war wahlentsch­eidend“

Die Handschrif­t Silberstei­ns als SPÖ-Berater war auch sichtbar im Nationalra­tswahlkamp­f 2006. Die ÖVP-FPÖ-Regierung hatte die Legislatur­periode für Reformen genützt, die Wirtschaft­sdaten waren befriedige­nd, in den Umfragen lag die ÖVP knapp, aber stabil vor der SPÖ. Im Sommer, wenige Wochen vor der Wahl, war eine Debatte über Probleme bei der Pflege entstanden. Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel versuchte diese Debatte abzuwürgen mit dem nicht sehr glücklich gewählten Sager: „Es gibt keinen Pflegenots­tand in Österreich.“

Da erschien am 14. September 2006, also zwei Wochen vor der Wahl, das Magazin „News“mit der Schlagzeil­e: „Exklusiv. Frau Maria, jene illegale slowakisch­e Pflegerin, die die Schwiegerm­utter von Kanzler Wolfgang Schüssel betreute, bricht im ,News‘-Interview ihr Schweigen.“Die Story war für Schüssel fatal. Denn die Botschaft lautete: Der Kanzler, der einen Pflegenots­tand in Abrede stelle, beschäftig­e selbst illegal eine schlecht bezahlte Pflegekraf­t. „Diese Story war wahlentsch­eidend, sie hat den Wahlkampf gedreht“, sagt heute Heidi Glück, damals Schüssels Pressespre­cherin und Beraterin.

Die Geschichte hatte nur einen Schönheits­fehler: Sie war frei erfunden. Die „Pflegerin“, die man „News“untergejub­elt hatte, war eine bezahlte Statistin gewesen. Ein Politikber­ater aus dem Umfeld Silberstei­ns brüstete sich damals damit, dass man „ein Jahr lang in Österreich ganz gezielt eine Negativkam­pagne gegen die ÖVP und Kanzler Schüssel geplant“habe. Offenbar erfolgreic­h: Die SPÖ gewann überrasche­nd die Wahl.

Den oberösterr­eichischen LH Josef Pühringer erwischte es im Landtagswa­hlkampf 2009. Er wurde als Trinker und Vater illegitime­r Kinder diffamiert, vier Jahre später wurden dem niederöste­rreichisch­en LH Erwin Pröll Frauengesc­hichten bzw. ein Polizeiein­satz wegen häuslicher Gewalt angedichte­t.

Aber auch SPÖ-Landeshaup­tfrau Gabi Burgstalle­r war einmal Opfer einer Kampagne. Sie habe sich gemeinsam mit ihrem Gatten eine Subvention für die Sanierung einer Wohnung erschliche­n. Nichts dran.

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BILD: SN/APA Tief, tiefer, Wahlkampf.

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