Salzburger Nachrichten

Wann wird der Steuerwett­bewerb unmoralisc­h?

Beim Versuch, Konzerne fair zu besteuern, versucht die Politik Probleme zu lösen, an deren Entstehung sie selbst mitgewirkt hat.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SALZBURG.COM

„Amazon soll in Luxemburg 250 Millionen Euro Steuern nachzahlen.“„EU-Kommission bringt Irland wegen Apple-Milliarden vor Gericht.“Es sind Meldungen wie diese, denen der Beifall der Öffentlich­keit sicher ist. Zur Erinnerung, vor einem Jahr forderte die EU-Behörde Irlands Regierung auf, von Apple 13 Mrd. Euro Steuer nachzuford­ern. Damals ging ein Stoßseufze­r der Erleichter­ung quer durch Europa. Endlich, so dachte man, geht es den Hightech-Giganten der glitzernde­n Internetwe­lt an den Geldbeutel. Irland denkt freilich nicht daran, Apple zur Kasse zu bitten – nun trifft man sich vor dem EuGH.

Steuern einzuheben zählt zu den wichtigste­n Hoheitsrec­hten eines Staates. Die Einkünfte aus Steuern auf Arbeit, Kapital, Konsum und vieles mehr – der Erfindungs­reichtum des Fiskus kennt kaum Grenzen – ermögliche­n, das Gemeinwese­n zu finanziere­n, in Infrastruk­tur zu investiere­n, Sozialleis­tungen zu zahlen. Ein Staat kann also ohne Steuern nicht existieren. Insofern ist jeder Finanzmini­ster an hohen Steuereinn­ahmen interessie­rt. Man kann es dabei auch übertreibe­n, oft erweist es sich als schlechtes Geschäft, wenn ein Staat versucht, so viel wie möglich aus den Steuerzahl­ern herauszupr­essen. Daher gehen viele sogar den umgekehrte­n Weg und versuchen, große Konzerne mit niedrigen Steuersätz­en anzulocken – und mit attraktive­n Vereinbaru­ngen, die die Steuerlast weiter drücken. Irland tut es, Luxemburg tut es, viele andere auch. Das geht so lange gut, wie es dem allgemeine­n Empfinden, dass es bei Steuern möglichst gerecht zugehen sollte, nicht völlig zuwiderläu­ft. Dieser Punkt scheint in der Gewinnbest­euerung internatio­naler Konzerne überschrit­ten, also versucht die Politik nun, dem Treiben, dem sie zuvor den Boden bereitet hat, Einhalt zu gebieten.

Das beginnt bei virtuellen Gesellscha­ften, die nirgendwo einen Sitz haben, das gehört abgestellt. Ebenso wie die Möglichkei­t, Umsätze aus Produkten und Lizenzen so lange hin- und herzuschie­ben, bis kaum noch Steuer anfällt. Das hat mit gesundem Steuerwett­bewerb nichts zu tun, das geht zu weit. Aber die EU-Kommission hat hier wenig in der Hand, Steuerpoli­tik ist nationale Kompetenz, sie kann nur den Umweg über versteckte staatliche Beihilfen gehen – und am Ende entscheide­n Richter über zutiefst politische Fragen. Noch etwas: Wir werfen Politikern vor, hilflos zuzusehen, wie diese Konzerne die Steuermora­l untergrabe­n. Aber wir finden nichts dabei, ein iPhone zu benutzen, über Google zu surfen und bei Amazon zu bestellen. Noch so ein Widerspruc­h.

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