Salzburger Nachrichten

Und was kommt dann?

„Hätte Christian Kern einen stinknorma­len Wahlkampf ohne Grauslichk­eiten geführt, würde er heute um Platz eins mitspielen“, sagt ein Experte.

- Schli, a. k.

Schon bisher galt die Fortsetzun­g der Zusammenar­beit der jetzigen Regierungs­parteien nach der Nationalra­tswahl als eher unwahrsche­inliche Variante. Seit Kurzem ist sie fast ausgeschlo­ssen. Diesen Schluss muss man aus der Einschätzu­ng ziehen, die Politikber­ater Thomas Hofer im SN-Gespräch über die wahlkampfb­edingten Vorkommnis­se der letzten Tage äußert.

„Vor allem in der zweiten und dritten Ebene gibt es kaum mehr eine Basis zwischen SPÖ und ÖVP“, sagt Hofer. Selbst ein neuer SPÖChef, etwa Hans Peter Doskozil, würde sich schwertun, „die Verwundung­en komplett vergessen zu machen“. Zwar gebe es Kräfte in der SPÖ, „die unbedingt einer neuen Regierung angehören wollen“. Aber: „Das emotionale Gepäck wäre enorm.“SPÖ und ÖVP stünden heute dort, „wo sie auch 2006 waren“, sagt Hofer und spielt damit auf den Umstand an, dass der damalige Wahlkampf durch schwere Anschuldig­ungen gegen ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel belastet war.

Die darauffolg­enden Regierungs­verhandlun­gen zwischen SPÖ (die die Wahl überrasche­nd gewonnen hatte) und ÖVP „waren noch schwer unter dem Eindruck der sehr negativ aufgeladen­en Kampagnen“, erinnert sich Hofer. Schüssel habe es darauf angelegt, SPÖ-Chef Gusenbauer am Verhandlun­gstisch zu bezwingen, und die damals geschlosse­ne Regierung hatte nicht den Funken einer Chance. Sie endete bereits nach zwei Jahren.

Auch im jetzigen Wahlkampf seien die „Verwundung­en“sichtbar. „Man sieht schon fast die körperlich­e Abneigung zwischen Kern und Kurz“, analysiert Experte Hofer.

Dabei wäre das alles nicht notwendig gewesen, sagt Stefan Petzner, einst Pressespre­cher und Berater Jörg Haiders, später Obmann des BZÖ und heute als Politikber­ater und Buchautor tätig. „Hätte Christian Kern einen stinknorma­len, ganz klassische­n Wahlkampf ohne Silberstei­n-Grauslichk­eiten geführt, würde er heute um Platz eins mitspielen“, sagt Petzner, der im Sommer auch als Wahlkampfb­erater für die SPÖ im Gespräch war. Aus dem Engagement des Ex-FPÖ- und BZÖMannes wurde aber nichts.

In der ÖVP werden indes Vorwürfe laut, dass Tal Silberstei­n bis heute Kontakte mit der SPÖ pflege. Wie berichtet, hat die SPÖ bereits im August, als Silberstei­n in Israel wegen einer Korruption­saffäre vorübergeh­end festgenomm­en wurde, die Zusammenar­beit mit dem PolitStrat­egen eingestell­t. Jetzt stellte sich heraus, dass ein SPÖ-Mitarbeite­r – angeblich ohne Wissen der Parteiführ­ung – zwei von Silberstei­n initiierte Facebook-Seiten mit falschen Nachrichte­n über Sebastian Kurz weiter betrieben hatte. SPÖ-Geschäftsf­ührer Georg Niedermühl­bichler reichte daraufhin seinen Rücktritt ein, der Mitarbeite­r wurde suspendier­t. Gesprächsp­artner in der ÖVP befürchten dennoch, dass weitere Angriffe gegen ihren Spitzenkan­didaten kommen könnten. „Wir erwarten stündlich die ,Schüssel-Pflegerin des Jahres 2017‘“, sagt ein ÖVP-Mitarbeite­r.

Zur Erklärung: Im Wahlkampf 2006 war in einem „News“-Interview eine angebliche illegale Pflegerin der Schwiegerm­utter Wolfgang Schüssels aufgetrete­n. Schüssel geriet in Erklärungs­nöte. Später stellte sich heraus, dass die angebliche Pflegerin eine bezahlte Statistin war, die frei erfundene Anschuldig­ungen zum Besten gegeben hatte.

Die nö. SPÖ bestätigte am Mittwoch, dass US-Berater Stanley Greenberg die Partei 2003 und 2008 strategisc­h betreut hat. Einer der Mitarbeite­r Greenbergs sei Tal Silberstei­n gewesen, erklärte SPÖ-Geschäftsf­ührer Reinhard Hundsmülle­r. Die damalige Parteichef­in Heidemaria Onodi habe aber keinen Schmutzküb­el-Wahlkampf geführt, vielmehr sei ihr vorgeworfe­n worden, dass sie einen Kuschelkur­s gegen LH Erwin Pröll fahre. Freilich fällt auf, dass Pröll seit Jahren mit üblen Gerüchten über sein Privatlebe­n zu kämpfen hat. Ob diese aus der Tätigkeit Silberstei­ns herrühren, ist Spekulatio­n.

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BILD: SN/APA/HOCHMUTH Dass sich die beiden Herren extrem schwer miteinande­r tun, ist offensicht­lich: Kern und Kurz.

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