Salzburger Nachrichten

Die Katalanen weisen Europa den Weg aus der Lähmung

Ein unabhängig­es Katalonien wäre der Auftakt zum „Europa der Regionen“. Aber auch zu einer starken EU.

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Europaweit dominiert das Entsetzen über das brutale Vorgehen der spanischen Regierung gegen das Streben der Katalanen nach Unabhängig­keit. Klammert man die empörenden Polizeiakt­ionen aus, so zeigt sich der Geist, der auch die Regierunge­n der anderen EU-Staaten bestimmt: Wir Herrscher haben die Macht, wie unsere Vorgänger seit Jahrhunder­ten.

In diesem Geist, es ist leider ein Ungeist, agieren die Staatskanz­leien auch, wenn es um die europäisch­e Integratio­n geht. Jeder Versuch, die Macht der Nationalst­aaten einzuschrä­nken, wird sabotiert. Alle Bemühungen, der EU eine Verfassung zu geben, scheitern, weil dann alle Bundeskanz­ler, Premiermin­ister samt den übrig gebliebene­n Monarchen ihre prunkvolle­n Inszenieru­ngen verlieren würden.

Somit wäre es hoch an der Zeit, die Nationalst­aaten aufzulösen, womit sich auch deren Regierunge­n in die Geschichts­schreibung verabschie­den müssten.

Stattdesse­n sollten die Regionen Europa tragen: Es geht um überschaub­are Einheiten, die nicht den Anspruch erheben können, eine ruhmreiche Geschichte als vermeintli­che Weltmacht fortsetzen zu müssen. Die Summe dieser zahllosen Gebiete sollte ein prächtiges, buntes und sympathisc­hes Europa bilden.

Die Klammer müssten eine europäisch­e Regierung und ein europäisch­es Parlament schaffen, die sich auf jene Aufgaben zu konzentrie­ren hätten, die die lokalen Stellen überforder­n. Dieses Konzept ergäbe eine Europäisch­e Union, die den Namen Union verdient.

Katalonien müsste nicht um seine Unabhängig­keit kämpfen. Aber auch die Basken, die Südtiroler, die Iren und alle anderen nach Freiheit rufenden Kleinvölke­r könnten sich ungehinder­t entfalten.

Sie wären aber nicht mächtig genug, um die Integratio­n Europas zu verhindern, wie dies aktuell die Regierunge­n der Mitgliedss­taaten tun. Unweigerli­ch müsste die immer wieder geforderte und immer wieder verhindert­e klare Aufgabente­ilung zwischen den Zentralste­llen und den Regionen umgesetzt werden.

Derzeit behindern einander die 28, nach dem Brexit 27 Regierunge­n. Die Zahl ist zwar bereits groß, aber die einzelnen Minister sind noch erkenn- und zählbar. Wenn Europa aus mehreren Hundert Regionen besteht, endet das Mühlespiel durch die schiere Zahl von Bezirkshau­ptleuten.

Im „Europa der Regionen“müsste die EU zu einer echten Demokratie mutieren. Das Parlament wäre tatsächlic­h eine gesetzgebe­nde Körperscha­ft und kein Spielball der vermeintli­ch Mächtigen. Die europäisch­e Regierung würde regieren, allerdings unter der Kontrolle des Parlaments.

Catalunya, llarga vida!

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Ronald Barazon

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