Alle ratlos glücklich verzagt
Wenn die schönen Hüllen fallen: Michael Hanekes Film „Happy End“.
WIEN. Das Großbürgerliche, die Erbsünde der Besitzenden und das Leiden daran: Immer wieder erarbeitet Michael Haneke Konstellationen aus dieser Matrix heraus, und das gilt auch für seinen aktuellen Film. „Happy End“handelt von der Laurent-Dynastie, die ein Anwesen in Calais bewohnt: Großvater Georges Laurent (Jean-Louis Trintignant) hat seine Baufirma vor Jahren an Tochter Anne (Isabelle Huppert) übergeben, Sohn Thomas (Mathieu Kassovitz) ist Arzt, dessen zweite Frau Anais (Laura Verlinden) hat ein Baby bekommen. Thomas’ Ex-Frau liegt nach einer Überdosis im Spital, ihre still beobachtende 13-jährige Tochter Eve (Fantine Harduin) ist daher ebenfalls im Familienanwesen untergeschlüpft.
Als gesellschaftlichen Kontext gibt es ein paar Nebenfiguren: die marokkanischstämmigen Angestellten Rachid und Jamila (Hassan Ghancy, Nabiha Akkari), gewohnheitsmäßig freundlich erniedrigt, einen Geschäftspartner, ein Grüppchen nigerianischer Flüchtlinge.
Dies ist das soziale Biotop, in dem „Happy End“spielt, in der Hafenstadt Calais, in der die Anwesenheit von Menschen auf der Flucht beunruhigende Begleitmusik ist, die aber nie ernsthaft in den Fokus der egozentrischen Familie rückt.
Doch nicht nur Selbstzufriedenheit und das nagende bürgerliche Gewissen sind es, die Haneke aus früheren Filmen wie „Caché“oder „Amour“übernimmt, es sind auch ganz offensichtliche Motive: Wie „Caché“mit einer Irritation beginnt, bei der sich die Anfangseinstellung als Bild einer Überwachungskamera entpuppt, fängt „Happy End“mit Smartphonebildern an, die Eve aufnimmt und sarkastisch kommentiert. Dann stellt sich heraus, dass „Happy End“eine direkte Fortsetzung von „Amour“ist. Aber auch indirekte Ideen finden sich drastisch umgesetzt wieder, etwa das „Funny Games“-Sujet, dass sich die größte Gefahr aus scheinbar harmlosen Situationen entwickelt. Der Zivilisationsbruch, der Moment, in dem die schönen Hüllen fallen, das ist es, worauf „Happy End“hinausläuft. Vielleicht ist dann das selbstbestimmte Ende, wie es schon in „Amour“Thema war, das tatsächlich glücklichere, um dieser amoralischen Existenz zu entkommen. Haneke scheint dies nahezulegen. Film: