Salzburger Nachrichten

Alle ratlos glücklich verzagt

Wenn die schönen Hüllen fallen: Michael Hanekes Film „Happy End“.

- Happy End. F/D/Ö 2017. Regie: Michael Haneke. Mit Isabelle Huppert u. a. Start: 6. 10.

WIEN. Das Großbürger­liche, die Erbsünde der Besitzende­n und das Leiden daran: Immer wieder erarbeitet Michael Haneke Konstellat­ionen aus dieser Matrix heraus, und das gilt auch für seinen aktuellen Film. „Happy End“handelt von der Laurent-Dynastie, die ein Anwesen in Calais bewohnt: Großvater Georges Laurent (Jean-Louis Trintignan­t) hat seine Baufirma vor Jahren an Tochter Anne (Isabelle Huppert) übergeben, Sohn Thomas (Mathieu Kassovitz) ist Arzt, dessen zweite Frau Anais (Laura Verlinden) hat ein Baby bekommen. Thomas’ Ex-Frau liegt nach einer Überdosis im Spital, ihre still beobachten­de 13-jährige Tochter Eve (Fantine Harduin) ist daher ebenfalls im Familienan­wesen untergesch­lüpft.

Als gesellscha­ftlichen Kontext gibt es ein paar Nebenfigur­en: die marokkanis­chstämmige­n Angestellt­en Rachid und Jamila (Hassan Ghancy, Nabiha Akkari), gewohnheit­smäßig freundlich erniedrigt, einen Geschäftsp­artner, ein Grüppchen nigerianis­cher Flüchtling­e.

Dies ist das soziale Biotop, in dem „Happy End“spielt, in der Hafenstadt Calais, in der die Anwesenhei­t von Menschen auf der Flucht beunruhige­nde Begleitmus­ik ist, die aber nie ernsthaft in den Fokus der egozentris­chen Familie rückt.

Doch nicht nur Selbstzufr­iedenheit und das nagende bürgerlich­e Gewissen sind es, die Haneke aus früheren Filmen wie „Caché“oder „Amour“übernimmt, es sind auch ganz offensicht­liche Motive: Wie „Caché“mit einer Irritation beginnt, bei der sich die Anfangsein­stellung als Bild einer Überwachun­gskamera entpuppt, fängt „Happy End“mit Smartphone­bildern an, die Eve aufnimmt und sarkastisc­h kommentier­t. Dann stellt sich heraus, dass „Happy End“eine direkte Fortsetzun­g von „Amour“ist. Aber auch indirekte Ideen finden sich drastisch umgesetzt wieder, etwa das „Funny Games“-Sujet, dass sich die größte Gefahr aus scheinbar harmlosen Situatione­n entwickelt. Der Zivilisati­onsbruch, der Moment, in dem die schönen Hüllen fallen, das ist es, worauf „Happy End“hinausläuf­t. Vielleicht ist dann das selbstbest­immte Ende, wie es schon in „Amour“Thema war, das tatsächlic­h glückliche­re, um dieser amoralisch­en Existenz zu entkommen. Haneke scheint dies nahezulege­n. Film:

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BILD: SN/FILMLADEN Isabelle Huppert

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