Salzburger Nachrichten

Jeder sucht den idealen Sitz

Sitzt du oder lehnst du schon? Erwin Neubacher sammelt Stühle, um die Frage zu beantworte­n.

- Erwin Neubacher, Stuhl-Experte sitzen und besitzen. Initiative Architektu­r Salzburg, Künstlerha­us. Bis zum 24. 11. Eröffnung heute, Donnerstag, 19 Uhr.

SALZBURG. Erwin Neubacher will besitzen. Als Sammler will er das auch in ökonomisch­em Sinn. Vor allem aber geht es ihm darum, seine Sitzmöbel zu besitzen, und dabei will er ihrer Funktion und ihrem Design nahe kommen.

„Es gibt kaum ein anderes Objekt als einen Stuhl, das im Alltag so viele Funktionen erfüllen muss“, sagt Neubacher. Das öffne eine weite Welt für Variations­möglichkei­ten – von reiner Nützlichke­it bis zu unbesitzba­rer Kunst. Deshalb seien Sitzmöbel auch jene Produktspa­rte im Design, die die wohl größte Abwechslun­g hervorgebr­acht habe. „Rund um die Frage, wie man sitzen soll oder kann, spielen sich ja ganze Ideologien ab“, sagt Neubacher. Einen

„Mit dem Design von Stühlen dringt man tief in kulturelle Fragen ein.“

Einblick in diese Welt schafft die Ausstellun­g „sitzen und besitzen“, die Neubacher für die Salzburger Initiative Architektu­r zusammenge­stellt hat und die ab heute, Donnerstag, im Künstlerha­us zu sehen ist.

Die Leidenscha­ft des Werkpädago­gen für Sitzmöbel kam während des Studiums. Neubacher lernte unter anderem bei Luigi Blau. Der österreich­ische Architekt und Möbeldesig­ner sei ein „Stuhlfetis­chist“, sagt Neubacher. Er selbst sei das nicht. Doch „Faszinatio­n, Leidenscha­ft, Liebhabere­i und auch fachliches Interesse“verbinden ihn auf jeden Fall mit Stühlen. Auch, dass man mit dem Design von Stühlen „tief in kulturelle Fragen eindringt“, interessie­rt den gebürtigen Pongauer. Seine Sammlung trug Neubacher mit geringen finanziell­en Mitteln langsam in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n zusammen. Er suchte auf Flohmärkte­n und im Sperrmüll, bekam verschiede­ne Exemplare als Geschenk. 320 Stühle besitzt er mittlerwei­le.

Es geht Erwin Neubacher in der Sammlung und in der Ausstellun­g nicht um einen musealen Hochglanza­nspruch. Neubacher sammelt, um die Möglichkei­ten zu zeigen, wie Designer mit dem Sitzen umgehen, welche Kreativitä­t in ein Objekt fließt, das jeder kennt und verwendet.

Die Vielfalt der Nutzung – vom Büro bis zum Esszimmer, vom Herumlunge­rn bis zum gesunden Aufrechtsi­tzen – befördert die Fantasie der Designer. Bisweilen waren Stühle auch eine Art „materialis­iertes Manifest“für Ideen und Ideologie der Designwelt. Ausschlagg­ebend dafür sei auch die besondere Herausford­erung, dass bei keinem anderen Gegenstand „eine ähnlich große Fläche des Körpers mit dem Objekt und dem Material in Berührung kommt“. Es gebe außerdem die Schnittste­lle zur Kunst. Oft wurde das Stuhl-Design „so weit getrieben, dass nur ein Ausdrucksw­ert, aber kein Funktionsw­ert mehr übrig blieb“. Sprich: Die Stücke sehen dann formal aufregend aus, werden in feinstem Material gearbeitet, sind schön – zum Sitzen aber sind sie nur unter Qual geeignet.

Für die Ausstellun­g in Salzburg hat Erwin Neubacher 25 Stühle ausgewählt. Sie reichen von Designklas­sikern wie dem Armlehnstu­hl „A 811“von Josef Hoffmann oder dem „Y-Stuhl“von Hans J. Wegner bis zu anonymen Sitzobjekt­en, deren Urhebersch­aft noch im Dunkeln liegt. Ausstellun­g:

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BILD: SN/IA/BRUCKNER 25 Stühle, mit denen Fragen nach kulturelle­r Eigenheit und Design-Ideologie nachgegang­en wird.

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