Jeder sucht den idealen Sitz
Sitzt du oder lehnst du schon? Erwin Neubacher sammelt Stühle, um die Frage zu beantworten.
SALZBURG. Erwin Neubacher will besitzen. Als Sammler will er das auch in ökonomischem Sinn. Vor allem aber geht es ihm darum, seine Sitzmöbel zu besitzen, und dabei will er ihrer Funktion und ihrem Design nahe kommen.
„Es gibt kaum ein anderes Objekt als einen Stuhl, das im Alltag so viele Funktionen erfüllen muss“, sagt Neubacher. Das öffne eine weite Welt für Variationsmöglichkeiten – von reiner Nützlichkeit bis zu unbesitzbarer Kunst. Deshalb seien Sitzmöbel auch jene Produktsparte im Design, die die wohl größte Abwechslung hervorgebracht habe. „Rund um die Frage, wie man sitzen soll oder kann, spielen sich ja ganze Ideologien ab“, sagt Neubacher. Einen
„Mit dem Design von Stühlen dringt man tief in kulturelle Fragen ein.“
Einblick in diese Welt schafft die Ausstellung „sitzen und besitzen“, die Neubacher für die Salzburger Initiative Architektur zusammengestellt hat und die ab heute, Donnerstag, im Künstlerhaus zu sehen ist.
Die Leidenschaft des Werkpädagogen für Sitzmöbel kam während des Studiums. Neubacher lernte unter anderem bei Luigi Blau. Der österreichische Architekt und Möbeldesigner sei ein „Stuhlfetischist“, sagt Neubacher. Er selbst sei das nicht. Doch „Faszination, Leidenschaft, Liebhaberei und auch fachliches Interesse“verbinden ihn auf jeden Fall mit Stühlen. Auch, dass man mit dem Design von Stühlen „tief in kulturelle Fragen eindringt“, interessiert den gebürtigen Pongauer. Seine Sammlung trug Neubacher mit geringen finanziellen Mitteln langsam in den vergangenen drei Jahrzehnten zusammen. Er suchte auf Flohmärkten und im Sperrmüll, bekam verschiedene Exemplare als Geschenk. 320 Stühle besitzt er mittlerweile.
Es geht Erwin Neubacher in der Sammlung und in der Ausstellung nicht um einen musealen Hochglanzanspruch. Neubacher sammelt, um die Möglichkeiten zu zeigen, wie Designer mit dem Sitzen umgehen, welche Kreativität in ein Objekt fließt, das jeder kennt und verwendet.
Die Vielfalt der Nutzung – vom Büro bis zum Esszimmer, vom Herumlungern bis zum gesunden Aufrechtsitzen – befördert die Fantasie der Designer. Bisweilen waren Stühle auch eine Art „materialisiertes Manifest“für Ideen und Ideologie der Designwelt. Ausschlaggebend dafür sei auch die besondere Herausforderung, dass bei keinem anderen Gegenstand „eine ähnlich große Fläche des Körpers mit dem Objekt und dem Material in Berührung kommt“. Es gebe außerdem die Schnittstelle zur Kunst. Oft wurde das Stuhl-Design „so weit getrieben, dass nur ein Ausdruckswert, aber kein Funktionswert mehr übrig blieb“. Sprich: Die Stücke sehen dann formal aufregend aus, werden in feinstem Material gearbeitet, sind schön – zum Sitzen aber sind sie nur unter Qual geeignet.
Für die Ausstellung in Salzburg hat Erwin Neubacher 25 Stühle ausgewählt. Sie reichen von Designklassikern wie dem Armlehnstuhl „A 811“von Josef Hoffmann oder dem „Y-Stuhl“von Hans J. Wegner bis zu anonymen Sitzobjekten, deren Urheberschaft noch im Dunkeln liegt. Ausstellung: