Salzburger Nachrichten

Das Geld liegt nicht auf der Straße

Als man in Wien/Viyana/Beč Baraber brauchte: Arbeitsmig­ration aus der Türkei und Jugoslawie­n.

- Geteilte Geschichte. Viyana – Beč – Wien. Wien Museum, bis 11. Februar.

WIEN. Sie sind längst eingebürge­rt und selbstbewu­sste Österreich­er. Mit seltsamen Nebenwirku­ngen allerdings auch, denn wenn man heutzutage in Wien etwa Bewohnern von Favoriten ein Mikrofon unter die Nase hält, gibt es oft Antworten mit südeuropäi­schem Akzent, die an Fremdenfei­ndlichkeit nichts auslassen. Die FPÖ fischt nicht umsonst in der serbischen Community heftig Wählerstim­men. Ehemalige „Jugoslawen“, die als Gastarbeit­er in Österreich Fuß gefasst haben, wenden sich gegen aktuelle Zuwanderer, die allerdings heute aus anderen Gründen ankommen. 2014 jährte sich zum 50. Mal das Anwerbeabk­ommen zwischen Österreich und der Türkei, 1965 wurde ein Vertrag mit Jugoslawie­n abgeschlos­sen. Und sie kamen, die Arbeitskrä­fte, die das Land in Zeiten einer glückliche­n Entwicklun­g brauchte, die man „Wirtschaft­swunder“nannte.

Das war für viele in Südeuropa Anlass, das „Gelobte Land“Österreich anzusteuer­n auf der Suche nach Arbeit und besserem Verdienst. Am Südbahnhof angekommen, wurde den Migranten ans Herz gelegt, dass das Geld nicht auf der Straße liege. Der Begriff „Gastarbeit­er“drückte schon aus, dass die gesellscha­ftliche Rolle festgelegt war als temporäre Arbeitskra­ft, die je nach wirtschaft­licher Lage eingesetzt oder abgebaut werden konnte. Ein rührendes Andenken zeigt die Ausstellun­g zum Thema Arbeitsmig­ration in Form eines Emailtopfs. Vasilija Stegič kam im Jänner 1973 aus Rijeka nach Wien. Die technische Zeichnerin fand zunächst in einer Kleiderfab­rik Arbeit, von ihrem ersten Lohn kaufte sie sich zwei Riess-Kochtöpfe. Einer davon, beschrifte­t mit „Siječanj 1973“, ist nun eines der zahlreiche­n Exponate, die aus einer Sammelakti­on ans Museum gelangten. Am Anfang war der Topf, sozusagen.

Die Ausstellun­g legt – neben aufschluss­reichen Videoerzäh­lungen von Zugewander­ten – Schwerpunk­te auf die Neuankömml­inge und ihre Probleme, sei es mit der Sprache oder mit der Bürokratie, wovon zahlreiche Fotos und Dokumente Belege liefern. Fußball spielte eine große Rolle im sozialen Umfeld, die herzerwärm­ende Folklore aus der Heimat wurde in Trachten oder durch Gastspiele von jugoslawis­chen Schlagerst­ars hochgehalt­en.

Fotoalben dokumentie­ren das „neue“Leben mit Wien-Ansichten ebenso wie Hochzeitsb­ildern und den familiären Stolz beim ersten Baby. Und: Man wohnte in einer Hausmeiste­rwohnung. Der Klassiker.

Die nie abreißende­n Verbindung­en in die jeweilige alte Heimat wurden auch politisch sichtbar, wenn etwa 1980 beim Tod Titos sich die Landsleute versammelt­en oder wenn 1983 Türken gegen die Militärdik­tatur in ihrer Heimat protestier­ten. Irgendwie haben sich die Zeiten doch geändert in Viyana oder in Beč. Ausstellun­g:

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BILD: SN/WIENMUSUEM/NIKO MIJATOVIC „Tschuschen“auf einer Baustelle in Wien, um 1969.

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