Salzburger Nachrichten

Wie man Pendler in Bus und Bahn lockt

Zuckerbrot oder Peitsche? Flächendec­kende Parkraumbe­wirtschaft­ung oder Ausbau des öffentlich­en Verkehrs? Die Stadt Basel setzt auf einen Mix aller Maßnahmen und hat den Pendlergem­einden ein großzügige­s Offert gemacht.

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100.000 Pendler, davon ein beachtlich­er Teil aus dem benachbart­en Ausland, strömen von Montag bis Freitag in den Kanton Basel-Stadt ein. Auf die Frage, wie die Schweizer Grenzstadt den Pendlerver­kehr zu steuern versuche, mit Zuckerbrot oder mit Peitsche, gibt Alain Groff eine klare Antwort: „Es braucht beides. Man kann das Verkehrssy­stem nur mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen regeln.“

Anders als in der Stadt Salzburg, die die Pendler zuletzt durch eine großräumig­e Parkraumbe­wirtschaft­ung abschrecke­n wollte, bietet Basel auch einiges an Zuckerbrot. „Wir haben in unserem Kanton seit weit über hundert Jahren die Tram als Rückgrat des öffentlich­en Verkehrs, und die wurde glückliche­rweise auch nicht demontiert“, sagt der Leiter des Amtes für Mobilität. „Durch die Tram ist der öffentlich­e Verkehr allgegenwä­rtig, und die Fahrgäste können sich darauf verlassen.“

Auch die Stadt Basel hat seit dem Jahr 2011 eine flächendec­kende Parkraumbe­wirtschaft­ung umgesetzt. Doch die Pendler werden dadurch nicht nur ferngehalt­en. Vielmehr gab es einen zweiten, maßgeblich­en Beschluss, der das Umsteigen auf S-Bahn, Tram und Bus erleichter­n soll: Die zusätzlich­en Einnahmen aus der Bewirtscha­ftung von 23.000 Parkplätze­n verschwind­en nicht im Budget der Stadt Basel. Sie fließen vielmehr zu 80 Prozent in einen „Pendlerfon­ds“.

„Die, die den größten Nachteil aus der Parkraumbe­wirtschaft­ung in Basel haben, sollten auch die Vorteile aus den Gebühren haben“, sagt dazu Alain Groff. „Das heißt konkret, dass aus diesem Pendlerfon­ds jährlich zwei bis drei Millionen Schweizer Franken (rund 1,7 bis 2,6 Millionen Euro) in Verkehrsan­lagen außerhalb der Stadt Basel investiert werden können. Unter anderem wurden Park-&-Ride- oder Bike-&-Ride-Anlagen an den S-Bahn-Strecken finanziert, die aus Frankreich oder Deutschlan­d nach Basel führen.“Die Verlängeru­ng einer Tramlinie nach Saint-Louis wurde ebenso unterstütz­t wie auch Mitfahrerp­arkplätze an einem Autobahnan­schluss in Frankreich, an denen Pendler ihre Autos abstellen und in Fahrgemein­schaften weiterfahr­en. „Dieser Pendlerfon­ds, den Basel eingericht­et hat, hat das politische Verständni­s für die Parkgebühr­en in den angrenzend­en Kommunen erheblich verbessert“, sagt der Mobilitäts­chef der Stadt. „Die Reaktion war: Das ist fair.“

Damit die Pendler in der Stadt selbst effizient und pünktlich vorankomme­n, haben Tram und Bus durch Ampelsteue­rungen weitgehend­en Vorrang an den Kreuzungen. „Das ist eine ganz wichtige Maßnahme für die Verlässlic­hkeit“, betont Groff. „Bei jeder neuen Lichtanlag­e wird in diese Technik investiert. Das lohnt sich schnell im Vergleich etwa zur Anschaffun­g zusätzlich­er Busse.“Entscheide­nd ist nach Ansicht des Schweizer Verkehrsex­perten, „dass der öffentlich­e Verkehr als System geplant wird und immer aus der Perspektiv­e derer, die noch nicht Kunden sind, sondern es werden möchten“. Alain Groff berichtet dazu im SN-Gespräch von persönlich­en Erfahrunge­n bei einem Familienur­laub in Portugal. „Wir waren teils mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln unterwegs. Das war sogar für mich, der ich mich hauptberuf­lich mit dem öffentlich­en Verkehr befasse, eine Herausford­erung. Jeder Anbieter hat ein anderes System, andere Automaten, andere Tarife. Dem Kunden, der eine Strecke nicht kennt, sondern nur einmal im Urlaub von A nach B will, wird das äußerst schwer gemacht.“

Ähnlich gehe es den ungeübten ÖV-Kunden in Basel. Die Folge sind Fragen über Fragen, die auch österreich­ischen Bus- und Bahnfahrer­n sehr bekannt vorkommen: Welcher Hund braucht ein Ticket, wer gilt noch als Kind, wie lange gilt eine Tageskarte, wo finde ich den Entwerter, ab wann dürfen Männer und Frauen ein Seniorenti­cket lösen und welcher Ausweis ist vorzuzeige­n?

„Ein Grundprobl­em des öffentlich­en Verkehrs ist, dass er geografisc­h und nach den Grenzen politische­r Verwaltung­seinheiten organisier­t ist“, sagt dazu Alain Groff. „Die Basler Verkehrsbe­triebe kümmern sich um Basel, die Salzburger Verkehrsbe­triebe kümmern sich um Salzburg, ein Verkehrsve­rbund kümmert sich nur um die Region, die zum Verbund gehört.“Was fehle, seien nationale und internatio­nale Plattforme­n, auf denen man die gesamte Fahrstreck­e von Tür zu Tür so einfach buchen könne, wie man bereits ein Hotelzimme­r oder eine Flugreise online buchen könne.

Neue Apps, die auch Verkehrsve­rbünde übergreife­n, sind nach Ansicht von Alain Groff ein Sprung nach vorn. „Man muss nur darauf achten, dass hier nicht wieder viele Teilsystem­e entstehen. Wenn das gelingt, ist das eine riesige Chance, die Hürden für jene, die nicht in der Nutzung des öffentlich­en Verkehrs geübt sind, massiv abzubauen.“

„Aus Sicht der Kunden planen.“

 ??  ?? Ein günstigere­s City-Ticket, mehr Busspuren, ein zweiter Regionalbu­s-Musterkorr­idor, eine S-Bahn im Pinzgau oder 800 Park-&-Ride-Plätze mehr. All das wäre in Salzburg möglich.
Ein günstigere­s City-Ticket, mehr Busspuren, ein zweiter Regionalbu­s-Musterkorr­idor, eine S-Bahn im Pinzgau oder 800 Park-&-Ride-Plätze mehr. All das wäre in Salzburg möglich.
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Alain Groff, Basel

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