Puppen erhöhen die Sicherheit
Weltweit sind seit den 1960er-Jahren Crashtest-Dummys zum Wohl der Verkehrsteilnehmer im Einsatz. In einem Grazer Labor werden sie getestet, repariert und auch verliehen.
13 Jahre alt, aber immer noch gut in Form
GRAZ. Dummys dürfen bei ihrem Schuhwerk nicht wählerisch sein. Da es um die internationale Vergleichbarkeit der Laborergebnisse geht, haben alle Crashtestpuppen die gleichen Schuhe an: schwarze, genagelte Lederschuhe, wie sie das amerikanische Militär verwendet. Und auch bei der Oberbekleidung gibt es eine Uniformierung: Kurzärmelige, blaue Baumwoll-T-Shirts. „In der Unfallforschung werden zwar immer mehr virtuelle Modelle verwendet, aber Crashtest-Dummys sind keine Auslaufmodelle, man wird sie auch in Zukunft brauchen“, sagt Corina Klug vom Institut für Fahrzeugsicherheit an der TU Graz.
Im Keller des TU-Gebäudes sieht es aus wie in einer Art Menschenfabrik aus einem Horrorfilm. In Regalen lagern Köpfe und Gliedmaßen, einige Rümpfe werden gerade von den drei Technikern repariert. „Nach einem Test müssen die mit komplexen Messsensoren versehenen Puppen kalibriert werden“, betont Corina Klug. Welche Puppen in Graz im Einsatz sind? „Wir haben zwei Männerversionen und zwei unterschiedliche Frauen und Kinderpuppen“, sagt die 30-Jährige.
Die Puppen haben eine Wirbelsäule und ein Becken aus Aluminium, ebenso stählerne Knochen und darüber ein Gummigemisch, das das menschliche Fleisch und die Haut simuliert. Die integrierten Sensoren messen physikalische Belastungen, beispielsweise Kräfte, Beschleunigungen und Biegemomente. Sie fahren gegen die Wand, sie verunfallen und erhöhen durch die daraus gewonnenen Erkenntnisse die Sicherheit. Wird für Tests ein Durchschnittsmann benötigt, greift man auf die 1,75 Zentimeter große und 78 Kilogramm schwere Puppe zurück. Was bei einem Test dem Dummy alles passieren kann? „Es kann sein, dass durch den Aufprall mit dem Fahrzeug eine Rippe bricht, auch Gummiteile können kaputt werden oder die Haut kann Schnitte bekommen“, berichtet Klug. Das Institut für Fahrzeugsicherheit verleiht seine Dummys auch an Unternehmen der Automobilbranche. Und die Lebensdauer? „Unsere Puppen haben wir seit 2004 und sie sind nach vielen Reparaturen immer noch gut in Form“, sagt die Unfallforscherin, die sich Gedanken darüber macht, wie Fußgänger sowie Rad- und Motorradfahrer besser geschützt werden können.
In diesem Bereich arbeitet sie verstärkt mit Computersimulationen mit Menschenmodellen: „Damit lassen sich für jede Größe und jede Altersgruppe Untersuchungen in unterschiedlichsten Szenarien durchführen.“
Viele Forschungsprojekte hätten, sagt Klug, das Ziel, die Bewertung von Sicherheitsmaßnahmen näher an das reale Unfallgeschehen heranzubringen. Um so besser abschätzen zu können, ob und wie ein Mensch in einem bestimmten Unfallszenario verletzt wird. „Für uns ist wichtig: Wie entsteht eine Verletzung, etwa im Hirn, am Oberschenkel oder im Beckenbereich“, sagt Corina Klug. Um daraus abzuleiten, wie diese durch technische Neuerungen verhindert werden können. Untersucht werden derzeit etwa die Bewertungen von aktiven Motorhauben, die bei einem Aufprall eine zusätzliche Knautschzone zwischen Motor und Mensch bilden.
Fußgänger sind nach wie vor eine stark gefährdete Gruppe im Straßenverkehr, im Jahr 2016 etwa wurden laut Statistik Austria in Österreich bei Unfällen insgesamt 3985 Personen verletzt, 73 starben.