Hoffnungslos veraltet: Der Traum vom papierlosen Büro
Wer glaubt, das Ziel der Digitalisierung sei es, das Papierleben ins neue Zeitalter zu transferieren, sollte noch nachdenken.
Die Vision vom papierlosen Büro ist alt. Befeuert von der damaligen Entwicklung der ersten Personal Computer, wagte das US-amerikanische Magazin „Business Week“bereits 1975 in einem Artikel über das Büro der Zukunft eine optimistische Prognose: Schon in den 80er Jahren werde der Papierverbrauch für Geschäftskorrespondenz und Dokumentation zurückgehen und „1990 das Hantieren mit Dokumenten zum großen Teil elektronisch“passieren.
Nun ja, es kam anders: In den Industrieländern stieg der Papierverbrauch in den vergangenen 40 Jahren stark an und Österreich gehört mit 225 bis 250 Kilogramm Papierverbrauch pro Kopf und Jahr in dieser Hinsicht nicht zu den bescheidensten Ländern. Erst jetzt, da Generationen heranwachsen, die es gewohnt sind, Dokumente auf dem Bildschirm zu bearbeiten und nicht mehr auszudrucken, und Medien auch digital verbreitet werden, keimt Hoffnung, dass der Konsum zurückgeht. Doch geht es überhaupt darum, endlich eine papierlose Produktion oder eine papierlose Firma zu erschaffen? Manche Digitalisierungspläne lesen sich tatsächlich so, als wollte man das Papierleben bloß eins zu eins in die digitale Welt verschieben. Das hieße auch, die überbordende Bürokratie und das Zuviel an Arbeitsschritten, das sich entweder freiwillig oder aufgrund der Vorschriften eingebürgert hat, in die Zukunft mitzuschleppen.
Papierlos zu werden ist kein Ziel mehr für eine vermischt digital-analoge Welt: Jetzt kann es nur heißen, endlich die Prozesse im Arbeitsleben, aber auch den Umgang mit den Behörden radikal einfacher und effizienter zu machen. Nutzerzentriertes Denken ist angesagt, denn die Nutzer, ob sie nun Mitarbeiter, Bürger oder Unternehmen sind, verlangen mehr Teilhabe und haben mehr Gewicht: Für sie muss man Komplexität reduzieren. Zudem geht es nicht ohne neue Formen der Zusam- menarbeit zwischen Produzenten, Kunden und Lieferanten oder, in der Verwaltung, zwischen einzelnen Dienststellen und mit den Bürgern und Unternehmen; sonst ersticken wir in einer Datenflut, die letztlich keinem etwas bringt.
Vor allem für große Konzerne und die öffentliche Verwaltung bedeutet dies, dass man die Zahl der Vorschriften reduzieren muss: Sonst ist man digital nur noch mit Compliance und Bürokratie beschäftigt, anstatt produktiv zu sein. Digitalisierung ohne grundlegende Reform von Arbeits- und Verwaltungsprozessen ist sinnlos, weil der Ballast aus der Vergangenheit die Systeme nur noch weiter aufbläht – statt das Leben da und dort auch angenehmer zu machen; wenn schon nicht ganz papierlos.