Revolution“
Neos: „Wir wollen eine gewaltfreie Neos-Chef Matthias Strolz wäre gerne Minister, Sepp Schellhorn Landesrat. Aber in welcher Koalition um welchen politischen Preis?
STEFAN VEIGL SN: Seit Monaten ist die KurzÖVP Umfragekaiser. Herr Schellhorn, tut es Ihnen leid, dass Sie im Mai das WechselAngebot von Kurz per SMS nicht angenommen haben? Schellhorn: Es gab nicht nur ein Angebot per SMS. Und es tut mir nicht leid. Denn ich kann mich weiter in den Spiegel schauen. SN: Herr Strolz, was antworten Sie denn jenen Kritikern, die sagen, eine Stimme für die Neos sei eine verlorene Stimme, weil Sie bei der Regierungsbildung im Bund de facto keine Rolle spielen werden? Strolz: Da ist noch alles offen. Gerade mit der aktuellen SPÖ-Silberstein-Affäre ist viel in Bewegung. Und es gibt auch eine Initiative aus der Zivilgesellschaft, die sich für Schwarz-Grün-Pink einsetzt – die sogenannte DirndlKoalition. Wir werden da als Neos weiter der Stachel im Fleisch der alten, verkrusteten Strukturen sein – ob als Oppositions- oder als Regierungspartei. Irgendjemand muss denen im G’nack sitzen, sonst bewegen sie sich nicht. SN:
„Stachel im Fleisch“, „im G’nack sitzen“. Warum wird jetzt zu dieser Kampfrhetorik gegriffen, die man bisher nur von der FPÖ gewöhnt war? Strolz: Wir sind angetreten, um alte Zöpfe abzuschneiden. Dazu brauchen wir gewisse Instrumente. Wir wollen eine gewaltfreie Bürgerrevolution. Wir treten gegen dieses alte Machtkartell an. Das kann man nicht allein mit Blumensammeln und Gebeten. Die anderen sind ja auch nicht zimperlich: Sepp Schellhorn wurde mit 19 Steuer- und Sonderprüfungen verfolgt. Wir sind nie untergriffig, aber ab und zu zugespitzt in unserer Botschaft und auch laut. Sonst werden wir nicht gehört. Denn wir haben die Hälfte des Wahlkampfbudgets der Grünen. Wenn die alle ehrlich rechnen würden, dann haben wir nur ein Fünftel des Budgets der Schwarzen, Roten und Blauen. SN: Zum SPÖ-SilbersteinSkandal um zwei Anti-KurzFacebook-Seiten: Ein beteiligter Berater, Peter Puller, war wie Silberstein im Wiener Wahlkampf 2015 für die Neos tätig. Färbt der Skandal damit nicht auch auf die Neos ab? Strolz: Dieser Herr hat für SPÖ, ÖVP und punktuell auch für uns Leistungen erbracht. Jetzt ist er auf einer No-go-Liste. Das ist so etwas von niederträchtig, was die gemacht haben. So etwas kommt bei Neos nicht über die Türschwelle. Dieser Brand wurde von der SPÖ-Wahlkampfleitung gelegt. Denn dieser Mann war bis zuletzt einer der drei führenden Kampagnen-Leiter. Und dass die SPÖ jetzt hergeht und eine TäterOpfer-Umkehr machen will, finde ich letztklassig. SN: Dass Silberstein umstrittene Praktiken anwendet, war aber schon Thema, als er 2006 für SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer tätig war. Schellhorn: Aber es kommt immer auf den Auftraggeber an. Die Frage ist, wie weit lässt man jemanden gehen. Auch bei einem Pferd kann man die Zügel anziehen – oder es galoppieren lassen. Und man kann den Neos in Wien nicht vorwerfen, dass sie Dirty Campaigning gemacht hätten. SN:
Können Sie ausschließen, dass auch den Neos so ein Skandal passieren könnte? Strolz: Ja, das schließe ich aus. Das war ja nicht ein einziger übermütiger Mitarbeiter. Das war eine gezielte Kampagne um Hunderttausende Euros, deren Finanzierung bis heute nicht offengelegt wird. Dirty Campaigning ist nicht Teil meines Werkzeugkoffers. SN:
Sie würden gerne Bildungsminister werden, Herr Strolz. Aber was könnten Sie da ändern? Seit 2007 haben sich bereits drei SPÖMinisterinnen an der ÖVPdominierten Lehrergewerkschaft die Zähne ausgebissen. Strolz: Wir schaffen es wie keine andere Kraft in Österreich, Allianzen zu bauen. Ich habe die überparteiliche Initiative „Talente blühen“gegründet. Ich habe das Buch „Die mündige Schule“herausgegeben und an 10.000 Meinungsbildner in Österreich geschickt. Wir holen immer alle an einen Tisch. Aber wir haben keine Fußfesseln. Bei mir ruft kein Landeshauptmann an und sagt: „Wir brauchen im Gesetz, dass der Landeshauptmann das letzte Wort hat.“Ich sage: „Hocken wir uns zusammen. Erklären Sie mir Ihre Argumente.“Und wenn die schwach sind, sage ich: „Hau dich über die Häuser.“Ich lasse mich nicht erpressen. SN:
Die Fußfessel hat vielleicht die schwarze Lehrergewerkschaft. Aber was wollen Sie gegen die durchsetzen? Strolz: Wir sagen: Parteibuch raus aus der Schule. Das darf bei der Direktorenbestellung keine Rolle spielen. Es müssen jene fünf Prozent der Lehrer, die falsch sind in dem Beruf, auch verabschiedet werden können. Auch die Privatschulen sollen SN-THEMA Nationalratswahl künftig öffentlich finanziert werden, dafür schaffen wir im Gegenzug deren Schulgeld ab. Aber ich würde die Schulen nicht in eine Autonomie zwingen. Das geht mit der Gewerkschaft nicht, da haben Sie recht. Sie sollen freiwillig in die Autonomie kippen können. Dafür erhält der Direktor Personal- und FinanzAutonomie. SN: Was wäre in Salzburg im Bildungssektor zu tun? Schellhorn: Bildungspolitik ist für mich auch Beschäftigungspolitik. Denn die Lehre wird immer wieder diskriminiert. Im Pongau gibt es 300 offene Lehrstellen aber nur 30 Suchende. Daher haben wir in drei Jahren 270 Fachkräfte zu wenig. Tun können wir was bei den Landesberufsschulen: Bundesweit wird in den nächsten fünf Jahren jede dritte von ihnen mangels Lehrlingen zusperren. SN: Was wollen Sie gegen den Fachkräftemangel tun? Schellhorn: Wichtig wäre, die Inaktivitätsfallen zu beseitigen, wenn etwa Jugendliche keinen Hauptschulabschluss haben. 15- oder 16-Jährige dürfen da nicht alleingelassen werden. Warum sollten wir nicht ein Ausbildungsangebot bis zum 20. Lebensjahr
haben? Ich glaube ja, polemisch formuliert, dass es billiger ist, wenn ich jedem Jugendlichen ohne Schulabschluss einen Lehrer beiseitestelle, als wenn ich ihn 20 Jahre in der Arbeitslosigkeit lasse. Strolz: Auf Bundesebene könnten wir die Rot-Weiß-Rot-Card neu aufsetzen. Da sollte man Arbeitsmigration und Asyl trennen. SN: Herr Schellhorn, Sie wollen nach der Landtagswahl 2018 in einer Koalition mit ÖVP und Grünen Landesrat werden. Glauben Sie ernsthaft, ÖVP-LH Haslauer wird „sein“Wirtschaftsressort einem Newcomer überlassen? Schellhorn: Wir wollen Landtag und Landesregierung verschlanken. Da muss man die Kompetenzen neu denken. Es ist widersinnig, dass Raumordnung, Verkehr und Bauen sowie Landwirtschaft in drei verschiedenen Ressorts sind. Wirtschaft, Tourismus und Landwirtschaft sollten zu einem Standort-Ressort zusammengelegt werden. Ich würde da den Lebensraum-Landesrat machen. Denn es kann nicht sein, dass drei Landesräte mit einer Betriebsansiedelung beschäftigt sind. SN: Eine Abschaffung der Kammer- Pflichtmitgliedschaften wird es ja mit der ÖVP kaum spielen. Oder ist das Koalitionsbedingung? Schellhorn: Das muss bundesweit geregelt werden. In der Standortpolitik wurden die letzten 30 Jahre Wirtschaft, Landwirtschaft, Tourismus und Industrie gegeneinander ausgespielt. Nur wenn alle diese Bereiche leben, gibt es keine Landflucht. Und bei Betriebsansiedelungen braucht es einen One-stop-Shop. SN: Eine Option, dass die Neos doch in die Bundesregierung kommen, wäre eine Koalition mit ÖVP und Grünen. Besteht da nicht die Gefahr, dass Sie den „billigen Jakob“geben? Strolz: Ich will keine schwarzblaue Regierung mit Kurz, einem Polizeiminister Strache und einem Außenminister Hofer, die bei ihrer ersten internationalen Konferenz ihre Freunde einladen – also Orbán , Le Pen und Wilders. Und wir können nie „billiger Jakob“sein, weil bei uns die Mitglieder über eine Regierungsbeteiligung entscheiden. Schellhorn: Wer will glauben, dass jetzt mit einer Veränderung der Parteifarbe und einer Verjüngung der Kandidaten alles anders ist bei der ÖVP? Es müssen weiter die Steuerzahler büßen. Daher braucht es uns. Denn in der ÖVP sind weiterhin alle von Kammer, Bauernbund, ÖAAB und Landeshauptmann abhängig. Wir haben ja das Beispiel, dass der Tiroler Landeshauptmann Platter und der Salzburger Landeshauptmann Haslauer gesagt haben: „Kurz wird sich in meinem Land nicht einmischen.“