Salzburger Nachrichten

Slim-Fit-Models statt Schwergewi­chte

Die gegenwärti­ge Auswahl an politische­m Personal ist keine zufällige.

- QUER SCHLÄGER Fritz Messner

Neulich bin ich im Netz auf eine politische Diskussion aus den frühen Achtzigern gestoßen. Einige wohlbeleib­te, ältere Herren in unauffälli­gen Anzügen diskutiert­en durchaus kontrovers, ließen sich dabei aber ausreden und längere Gedanken ausführen, bevor sie ihre Gegenargum­ente brachten. Der Kontrast zu den heutigen, meist mit Schlagwört­ern und Untergriff­en statt Inhalten geführten „Konfrontat­ionen“hätte nicht größer sein können. Wie und wann hat sich das geändert? Einer dieser Polit-Dinos hatte damals ja sogar den Mut zu sagen, dass alles sehr komplizier­t sei. Von den heutigen selbsterna­nnten Wunderwuzz­is mit ihren „Instantlös­ungen für eh alles“würde niemand auch nur im Traum daran denken, diese Tatsache auszusprec­hen.

Denn Mitte der Achtziger ging es los mit den Designeran­zügen, den Taferln, den inhaltslee­ren Sprechblas­en und den gebetsmühl­enartigen NLP-Phrasen. Und da dies erfolgreic­h war, wurde es immer weiter getrieben. Heute sind wir mit pseudoreli­giösen Masseninsz­enierungen, Sündenbock­strategien, Schmutzküb­eln und infamen Doppelspie­len am Tiefpunkt politische­r Kultur angelangt. Aber bevor das hier zur beliebten „Früher war alles besser“-Litanei oder zur obligaten Rundum-Politikers­chelte wird, die nur der Demokratie an sich schadet, fordere ich die Wähler auf, sich selbst an die Nase zu fassen. Wer würde denn heute diese bedachten Herren (oder Damen) noch wählen? Nicht einmal ein Schwergewi­cht wie Bruno Kreisky hätte heute eine Chance, denn der wäre zu alt, zu behäbig und zu brummig für die angesagte aalglatte Slim-Fit- und Twitter-Politik.

Aber wir Wähler sind noch immer die Kunden und regeln über die Nachfrage das Angebot. Also Augen auf im politische­n Supermarkt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria