Slim-Fit-Models statt Schwergewichte
Die gegenwärtige Auswahl an politischem Personal ist keine zufällige.
Neulich bin ich im Netz auf eine politische Diskussion aus den frühen Achtzigern gestoßen. Einige wohlbeleibte, ältere Herren in unauffälligen Anzügen diskutierten durchaus kontrovers, ließen sich dabei aber ausreden und längere Gedanken ausführen, bevor sie ihre Gegenargumente brachten. Der Kontrast zu den heutigen, meist mit Schlagwörtern und Untergriffen statt Inhalten geführten „Konfrontationen“hätte nicht größer sein können. Wie und wann hat sich das geändert? Einer dieser Polit-Dinos hatte damals ja sogar den Mut zu sagen, dass alles sehr kompliziert sei. Von den heutigen selbsternannten Wunderwuzzis mit ihren „Instantlösungen für eh alles“würde niemand auch nur im Traum daran denken, diese Tatsache auszusprechen.
Denn Mitte der Achtziger ging es los mit den Designeranzügen, den Taferln, den inhaltsleeren Sprechblasen und den gebetsmühlenartigen NLP-Phrasen. Und da dies erfolgreich war, wurde es immer weiter getrieben. Heute sind wir mit pseudoreligiösen Masseninszenierungen, Sündenbockstrategien, Schmutzkübeln und infamen Doppelspielen am Tiefpunkt politischer Kultur angelangt. Aber bevor das hier zur beliebten „Früher war alles besser“-Litanei oder zur obligaten Rundum-Politikerschelte wird, die nur der Demokratie an sich schadet, fordere ich die Wähler auf, sich selbst an die Nase zu fassen. Wer würde denn heute diese bedachten Herren (oder Damen) noch wählen? Nicht einmal ein Schwergewicht wie Bruno Kreisky hätte heute eine Chance, denn der wäre zu alt, zu behäbig und zu brummig für die angesagte aalglatte Slim-Fit- und Twitter-Politik.
Aber wir Wähler sind noch immer die Kunden und regeln über die Nachfrage das Angebot. Also Augen auf im politischen Supermarkt.