Salzburger Nachrichten

Der Koalitions­poker in Den Haag ist zäh

Fast sieben Monate nach der Wahl gibt es in den Niederland­en immer noch keine Regierung.

- SN, dpa

In Deutschlan­d könnte es länger dauern, bis eine Regierungs­koalition steht, was manche Politiker in Berlin nervös macht. Doch die Niederländ­er können da nur müde lachen. Fast sieben Monate nach der Wahl am 15. März haben sie noch immer keine neue Regierung. Vier Parteien verhandeln in Den Haag. Sie werden am kommenden Montag den bisherigen Rekord von 208 Tagen aus dem Jahr 1977 einstellen.

Ministerpr­äsident Mark Rutte steht mit seiner rechtslibe­ralen VVD vor seiner dritten Amtsperiod­e. Nur diesmal ist es nicht so einfach, eine Koalition zu schmieden. Eingeweiht­e nehmen an, dass sich die neue Ministerri­ege frühestens Ende Oktober mit König WillemAlex­ander zum traditione­llen Gruppenfot­o vor dem wird.

Lange Verhandlun­gen gehören zur politische­n Kultur des Landes, das immer von Koalitione­n regiert wird. Im Durchschni­tt dauert so eine „formatie“(Regierungs­bildung) 87 Tage. Doch diesmal ist alles komplizier­ter.

13 Parteien zogen nach der Wahl im März in die Zweite Kammer ein. Die VVD von Rutte wurde zwar mit 33 der 150 Sitze erneut stärkste Kraft. Doch ihr bisheriger Koalitions­partner, die sozialdemo­kratische Partei der Arbeit, erlebte ein Debakel und entschied sich für die Opposition. Zweitstärk­ste Kraft mit 20 Sitzen ist die rechtspopu­listische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders. Doch mit ihr will keine andere Partei zusammenar­beiten. Palast präsentier­en Für eine mehrheitsf­ähige Koalition sind daher mindestens vier Parteien notwendig.

Ein Kern-Trio stand schnell fest: Ruttes VVD, die christdemo­kratische CDA und die linksliber­ale D66. Zunächst scheiterte­n Gespräche mit der grünen Partei GroenLinks. Und nun sitzt die kleine christlich­e Partei ChristenUn­ie mit am Verhandlun­gstisch. Aber auch das scheint nicht einfach zu sein.

„Die Ideale prallen aufeinande­r“, sagte seufzend der Fraktionsv­orsitzende der ChristenUn­ie, Gert-Jan Segers. Manchmal fühle er sich wie ein Radrennfah­rer bei der Tour de France nach einer schweren Bergetappe. „Dann ist Paris noch sehr weit weg.“

In der feinen Stadhouder­skamer, dem Ex-Empfangssa­al des OranienFür­sten Willem V., könnten also die Fetzen fliegen. Nur das erfährt niemand. Die Unterhändl­er präsentier­en sich auf ihrem täglichen Gang zu den Gesprächen stets einträchti­g: Vier Herren, alle um die 50 Jahre alt, meist in blauen Anzügen, schreiten mit Akten unterm Arm über den Platz. Nur selten dringt aus den dicken Mauern ein Verhandlun­gsergebnis nach draußen.

Das designiert­e Viererbünd­nis hat nur die denkbar kleinste Mehrheit von einer Stimme und will daher in einem dicken Koalitions­vertrag alles bis ins kleinste Detail regeln. Bei diesem Tempo könnte selbst der Weltrekord in Sachen Regierungs­bildung, gehalten von Belgien mit 541 Tagen, eingestell­t werden, lästern Kommentato­ren und die Opposition.

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